17.02.2015 1 Kommentar

17.02.2015: Nichtwähler

Zur Bürgerschaftswahl in Hamburg am vergangenen Sonntag betrug die Wahlbeteiligung gerade einmal 56,9%. Prima könnte man sagen – immerhin mehr als die Hälfte sind zur Wahl gegangen! War ja auch schönes Wetter in Hamburg… Traurig dabei ist wiederum, dass fast die Hälfte ihre Kreuzchen nicht machte: mehr als bei SPD, CDU, Grünen und Linken (als im Bundestag vertretenen Parteien) zusammen. Bei der Bundestagswahl 2013 betrug sie immerhin 73%, bei allen anderen Wahlen für Landtage, Kommunen etc. ist der Trend aber bedeutend niedriger.

Der Nichtwähler

Er misstraut den Politikern, die sich „nur die Taschen vollmachen“. Als kleiner Mann habe er von der großen Politik nichts zu erwarten. „Alles ist so kompliziert geworden“, klagt der Nichtwähler.„Und irgendwie ist doch egal, wer gewinnt – alles dasselbe.“ Dann hat er die Wahlbenachrichtigung nicht gefunden, das Wetter war auch so hässlich, das Wahllokal zu weit weg und das neue Wahlsystem soll viel zu kompliziert sein. Da könne man schon mal zu Hause bleiben. Überhaupt sei er politisch wenig interessiert. Nur so viel fällt ihm ein: „Wenn Wahlen etwas verändern würden, wären sie verboten.“ Da lacht er zum ersten Mal. Er weiß nicht viel, aber vieles besser. Er verteilt gern mal einen Denkzettel, aber zu viel Denken bereitet ihm schnell Kopfweh.

Der Nichtwähler ist der einzige Deutsche, der sich von Wahl zu Wahl vermehrt. Zwar ist nur jeder Siebte ein Totalverweigerer, aber der gelegentliche Abstinenzler weiß sich in großer Gesellschaft. (Auszug aus: »Der Nichtwähler« 17.02.2015 Hamburger Abendblatt)

1.) Nichtwähler werden meist als einheitliche und fest strukturierte Gruppe behandelt. Sie tauchen nicht nur in der Rubrik Politik auf, sondern beschäftigen auch das Feuilleton und die Sozialwissenschaft. Sie werden häufig im Zusammenhang mit Demokratie-, Politik-, Politiker- und Parteienverdrossenheit gesehen. Im häufigsten Fall muss aber darauf verwiesen werden, dass der »Nichtwähler« als Person meist eine temporäre Erscheinung ist, die im Laufe der Zeit seine Einstellung auch wieder ändert. Eine Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung dazu finden Sie hier.

2.) Aber Nichtwähler haben verschiedene Gründe für ihre Entscheidung. Manchmal ist es Politikerfrust, manchmal sind es aber auch soziale Umstände oder andere inhaltliche Beweggründe, die Menschen davon abhalten, wählen zu gehen. Über Deutschland und seine Nichtwähler finden Sie bei wahllos.de einige interessante Fakten.

3.) Kuriose Auswüchse gibt es dabei auch hier: die »Partei der Nichtwähler« gibt es bereits in vier Bundesländern. Über den Mythos der Nichtwähler finden Sie hier eine Expertise der Konrad-Adenauer-Stiftung.

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13.02.2015

13.02.2015: Kosovo

Rund 20.000 Menschen haben allein im Januar dem Kosovo den Rücken gekehrt, seit Ende November 2014 sind es mehr als  50.000. Hauptbewegtgrund dafür ist die miserable wirtschaftliche Lage: die Armut, die Perspektivlosigkeit, die Korruption im Staate und das Gefühl, eingesperrt zu sein, hat sich auch seit der Unabhängigkeit von Serbien 2008 für die meisten Menschen nicht verbessert. Viele Flüchtlinge über Ungarn haben als Ziel Österreich oder Deutschland, obwohl sie keinerlei Chance auf Asyl haben. Die Aufnahmeeinrichtungen sind bereits jetzt schon überfüllt und es werden noch mehr Menschen kommen, da das Kosovo zu den ärmsten Ländern Europas zählt.

1.) Konservative Landesinnenminister und Politiker fordern wieder, das Kosovo als sicherers Herkunftsland zu deklarieren, was ein schnelleres Asyl- und somit vereinfachtes Abschiebeverfahren bedeuten würde. Doch das ist es nicht, wie Sie im Kommentar von Gerwald Herter hier nachlesen können.

2.) Deutschland ist im Kosovo nicht nur als Aufnahmeland für Flüchtlinge, Geldgeber und europäischer Partner im Aufbau von Strukturmaßnahmen involviert, sondern auch mit Soldaten für die KFOR. Rund 700 Bundeswehrsoldaten sind noch im Kosovo stationiert. Sie unterstützen die Lage, die als nicht ruhig, aber stabil bezeichnet wird. Was die Deutschen in Uniform dort für Aufgaben haben und wie sie diese wahrnehmen, erfahren Sie hier.

3.) Das Kosovo als Teil des Balkans hat am 17. Februar 2008 seine Unabhängigkeit von Serbien proklamiert, wozu es seit 2003 als Teilregion gehörte. Vorher war es Bestandteil der 1992 neu konstituierten föderativen Bundesrepublik Jugoslawien. Es ist ein Vielvölkerstaat, der mehrheitlich von Albanern und Serben bevölkert wird. Die Konflikte in der Region sind heute immer noch so aktuell, wie schon seit langem. Die Bevölkerung des Kosovo sieht mittlerweile häufig keine Perspektive mehr in ihrer Heimat zu leben. Eine ausführliche Expertise über den »Kosovo-Konflikt« finden Sie hier.

 

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12.02.2015

12.02.2015: Bootsflüchtlinge vs EU

Wieder sind vor der italienischen Küste rund 300 Flüchtlinge, die in den vergangenen Tagen von Libyen aus in Schlauchbooten die Überfahrt nach Italien gewagt haben, vermutlich bei einem Bootsunglück ums Leben gekommen. Sie sind ertrunken oder erfroren. Drei Boote mit jeweils ungefähr 100 Insassen werden seitdem vermisst. Das Mittelmeer ist mal wieder zum Massengrab geworden. Allein 2014 haben mehr als 200.000 Menschen die Überfahrt gewagt. Etwa 3500 von ihnen kamen laut offiziellen Zahlen im vergangenen Jahr ums Leben. Und die Dunkelziffer dürfte dabei weitaus höher sein.

1.) In einem Kommentar für die Osnabrücker Zeitung schreibt Franziska Kückmann dazu

»SCHÄMT EUCH! Es gibt wenig Verlogeneres, als sich als Wertegemeinschaft zu feiern, während Schutzbedürftige vor der eigenen Haustür im Meer versinken.«

Dies tritt die Sache sehr gut. Zu schnell haben wir uns an die Nachrichten von mehreren hundert Toten vor unserer Wohlstandsküste gewöhnt. Den kompletten Kommentar finden Sie hier.

2.) Im November letzten Jahres lief die Seenotrettungsaktion der italienischen Marine »Mare Nostrum« aus. Sie wurde unter Federführung der europäischen Grenzschutzorganisation Frontex von »Triton« mehr schlecht als recht ersetzt. Jetzt steht sie wieder in der Debatte einer unterstützenden Wiederaufnahme. Pro Asyl geht davon aus, dass durch die damit verbundene starke Reduzierung des Radius des Einsatzgebietes viele Flüchtlinge ums Leben gekommen sind. Den Artikel dazu finden Sie hier.

3.) Leider wiederholen sich die Nachrichten. Nur der Nachrichtenwert wird durch eine gewisse Abstumpfung der Rezipienten geringer. Obwohl damals etliche Politiker nach Lampedusa eilten und medienwirksam sagten, dass dieses Sterben im Mittelmeer sich nicht fortsetzen dürfe, sind die Schlagzeilen von heute und damals recht deckungsgleich. Unser Beitrag vom 16.09.2014 ist leider immer noch aktuell und hier zu finden!

Das Drama der Bootsflüchtlinge ist eine Bankrotterklärung für die europäische Flüchtlingspolitik.

 

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11.02.2015

11.02.2015: Staatsakt Richard von Weizsäcker

Am 31. Januar ist der »Präsident aller Bürger« Richard von Weizsäcker im Alter von 94 Jahren verstorben. Heute wurde zu seinen Ehren im Berliner Dom ein Staatsakt begangen. Etwa 1400 Gäste, darunter die Familie des verstorbenen, Bundespräsident Gauck, viele Regierungsmitglieder und Politiker sowie Gäste aus dem Ausland und Freunde aus allen gesellschaftlichen Bereichen gaben ihm die letzte Ehre. Richard von Weizsäcker prägte das Bild der Bundesrepublik und des Umgangs von Politik zu Bevölkerung auf eine herausragende Art und Weise.

1.) Seine wegweisende Rede vom 8. Mai 1985 zum 40. Jahrestag des Kriegsendes war ein wichtiger Meilenstein für den Umgang mit den deutschen Verbrechen während der Nazi-Zeit. Er bezeichnete den Tag des Kriegsendes und den Zusammenbruch des Nazi-Regimes als »Tag der Befreiung«. Die Rede finden Sie hier als Manuskript und hier als Video.

2.) Der Staatsakt als Trauerbekundung der Bundesrepublik wird vom Bundespräsidenten angeordnet. In der Vergangenheit wurde mit diesem Instrument bisher Politiker aber auch schon andere Persönlichkeiten geehrt. Eine weitergehende Erläuterung von Frank Capellan aus unserem Hauptstadtstudio finden Sie hier.

3.) Richard von Weizsäcker genoss ein hohes Ansehen in Politik und der Bevölkerung. Auch International war er ein angesehener Redner, der immer die Rolle Deutschlands innerhalb Europas betonte. Einige Stimmen zu seinem Tod finden Sie hier.

 

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10.02.2015

10.02.2015: Aktuelle Stunde im Bundestag

»Aller Anfang ist schwer!«

So Bundestagsvizepräsident Carlo Schmid (SPD) zu Beginn der ersten Aktuellen Stunde am 10. Februar 1965 im Deutschen Bundestag in Bonn.

Aktuelle Stunden geben den Abgeordneten, die nach einer Fragestunde noch Diskussionsbedarf haben, Gelegenheit zur weiteren Aussprache. Sie können aber auch im Vorfeld verlangt werden, um Themen von allgemeinem aktuellem Interesse zu debattieren.

Die Abgeordnetenbeiträge dürfen jeweils nicht länger als fünf Minuten dauern und insgesamt die Dauer von einer Stunde nicht überschreiten. Die Redezeit von Regierungs- und Bundesratsvertretern ist von dieser Regelung allerdings ausgenommen, so dass Aktuelle Stunden tatsächlich oft länger als 60 Minuten dauern. (Quelle: Bundestag)

1.) Die Kurzdebatte der Aktuellen Stunde gehört zu den wichtigsten Kontrollinstrumenten des Parlaments. Im Laufe der Jahre haben diese allerdings an Biss verloren, was häufig am Charisma der vortragenden Politiker liegt. Eine Kultur des offenen Schlagabtausches, wie z.B. unter Herbert Wehner oder Franz-Josef Strauß ist heute eher der sachlichen Aneinanderreihung von Argumenten gewichen.

Weitere Informationen finden Sie hier.

2.) Trotzdem haben die Aktuellen Stunden einen prägenden Einfluss auf den Parlamentsbetrieb. Die Debattenkultur in unserer Demokratie findet durch sie eine Aufwertung. Die »Aktuelle Stunde« soll den oftmals langatmigen Diskussionen im Bundestag etwas Leben einhauchen. Oberstes Gebot ist dabei: vorgefertigte Reden und Statements sind tabu. Eine schöne Zusammenfassung zu 50 Jahren Aktuelle Stunde von Änne Seidel finden Sie hier.

3.) Es ist aber nicht von der Hand zu weisen, dass die Aktuellen Stunden im Bundestag heutzutage kaum einen Zuschauer hinter dem Ofen hervorlocken. Ganz anders ist es da im britischen Unterhaus. Bei den Mittwochs stattfinden »Prime Minister’s Questions« geht es regelmäßig hoch her. Wobei hier häufig angezweifelt werden muss, ob das die feine englische Art ist… Weitere Informationen dazu finden Sie hier.

 

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09.02.2015

09.02.2015: Edathy und Hartmann – Skandale und Politik

Skandale beeinflussen seit jeher das Image von Politikern und der Politik in ihrem gesamten Erscheinungsbild. Dabei wird häufig von dem Auftreten einzelner Politiker auf »die Politik« projiziert. Die Frage, ob die Skandale in der letzten Zeit zugenommen haben, muss wohl eher verneint werden – die Skandale werden durch ein immer massiveres Auftreten der Medien und ihrer digitalen Ausprägung nur häufiger für die breite Öffentlichkeit publik.

1.) Aktuell beschäftigt der Skandal um die Vorwürfe gegen Sebastian Edathy die Republik. In diesem Zusammenhang muss gesagt werden, dass die Vorwürfe gegen selbigen zum Zeitpunkt ihrer Aufdeckung zwar moralisch verwerflich, gesetzlich aber wohl nicht strafbar waren. Die Fotos von unbekleideten Kindern auf seinem Rechner erfüllten im Jahr 2011 keinen Straftatbestand. Auch als dieses im Oktober 2013 durch BKA-Chef Ziercke in welcher Form auch immer öffentlich gemacht wurde, war dies in der jetzt bekannten Form nicht verboten. Eine Chronologie über den Fall Edathy finden Sie hier.

2.) Im Zusammenhang damit wird ein Zeuge im Untersuchungsausschuss des Bundestages zum Fall Edathy als skandalträchtig angesehen: der Bundestagsabgeordnete Michael Hartmann verweigert seine Aussage, nachdem sich seine vorherigen Aussagen nicht mehr als haltbar darstellten. Politiker sind Menschen, die auch Schwächen haben. Sie sollten eigentlich aber durch ihre »Volksvertreterfunktion« einen bestimmten Vorbildcharakter haben. Hartmann war vorher schon negativ in die Schlagzeilen geraten, da er als Konsument von Crystal-Meth in Rahmen von polizeilichen Ermittlungen aufgefallen war. Reflexartig distanziert sich seine Partei von der Person. Den Imageschaden wird sie allerdings nicht so einfach los.

3.) Im aktuellen Fall freut sich die Konkurrenz der SPD, da diese im Zusammenhang auf beiden Ebenen auftritt. Es darf aber nicht vergessen werden, dass sämtliche Parteien mit ihren Skandalen zu kämpfen hatten und haben. Eine kleine Aufstellung von Skandalen der nahen Vergangenheit finden Sie hier.

 

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29.01.2015

29.01.2015: Folter Raif Badawi

Folter ist in unserer ach so »zivilisierten Welt« leider immer noch ein aktuelles Thema, welches sich durch die verschiedensten Kulturen frisst und die Weltöffentlichkeit leider viel zu oft aufschreckt. Ob es die modernen Foltermethoden der CIA im Gefangenenlager von Guantanamo, die Folter durch die IS-Milizen oder durch Staaten, mit denen wir befreundet und mit denen wir gute Geschäfte machen – immer wieder werden Folterpraktiken bekannt, die man eigentlich dem finsteren Mittelalter zuschreiben würde.

1.) Ein aktueller Fall ist der des Bloggers Raif Badawi. Dieser ist zu 1000 Peitschenhieben, 10 Jahren Haft und umgerechnet 200.00 Euro verurteilt worden: Er hatte eine liberales Netzwerk gegründet und darauf immer wieder die Religionspolizei für ihre harte Durchsetzung der in Saudi-Arabien vorherrschenden strengen Auslegung des Islam kritisiert. Nach den ersten 50 Stockhieben war Badawi so stark verletzt, dass die geplanten nächsten 50 Hiebe eine Woche später erst einmal aus medizinischen Gründen verschoben wurden. Ein Dossier über diesen Fall finden Sie hier.

2.) 146 Staaten haben bisher die UN-Antifolterkonventionen unterzeichnet. Leider mangelt es vielfach an der Ahndung von Verstössen. Die schrecklichen Foltermethoden der IS werden quer durch alle Parteien strengstens verurteilt. Das ist auch vollkommen richtig so! Dass die Foltermethoden von befreundeten Staaten, wie Saudi-Arabien, bei vielen Straftaten fast deckungsgleich mit denen der IS sind, wird dabei häufig im Rahmen von »freundschaftlichen Beziehungen« übersehen. Eine interessante Vergleichstabelle finden Sie hier.

3.) Im Plenum des Deutschen Bundestages ging es heute auf Antrag der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN um die Aufforderung von Saudi-Arabien zur Freilassung von Raif Badawi. Den Antrag der Grünen finden Sie hier, sowie die Eröffnung der Aussprache durch Tom Koenigs, dem menschenrechtspolitischen Sprecher seiner Fraktion:

Mediziner sind sich sicher, dass eine Weiterführung der Stockhiebe den sicheren Tod von Raif Badawi bedeuten würde.

 

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