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Geoblocking wird (nicht) abgeschafft © European Union 2012 - EP
Geoblocking wird (nicht) abgeschafft © European Union 2012 - EP
23.11.2017

EU verursacht Marketingdesaster beim Geoblocking

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Eigentlich könnten die EU-Institutionen damit werben, wie sie gegen Geoblocking vorgehen und welche Vorteile das für Konsumenten bringt – die EU von der guten Seite. Leider ist das Ganze zum Marketing-Desaster geworden, bei dem sich nur bestätigt: Die EU ist kompliziert und niemand blickt mehr durch.

Wenn Konsumenten im Netz aufgrund ihres Standortes (genauer: Ihrer IP-Adresse) bestimmte Inhalte vorenthalten werden oder sie andere Inhalte angezeigt bekommen, als Konsumenten mit anderen Standorten, dann ist von Geoblocking die Rede. Die bekannteste Variante ist wohl das „…leider in ihrem Land nicht verfügbar[e]“ Video. Mit ihrem Konzept des Digitalen Binnemarktes will die Kommission nach eigenem Bekunden Geoblocking den Kampf ansagen. Und wie schön hätte es werden können: „Die EU“ tut etwas für die Bürger, wovon diese in ihrem Alltag alle profitieren können! Keine gesperrten Videos mehr, keine teuren VPN-Tunnel oder Videostreams übers Smartphone, um diese ärgerlichen Schranken zu umgehen. Es hätte wunderbare Werbung für die EU sein können.

Stattdessen laufen mehrere Gesetzesinitiativen parallel, in denen von Geoblocking die Rede ist. Und da wir Journalisten knackige Begriffe brauchen, weil niemand mit „Verordnung zur Gewährleistung der grenzüberschreitenden Portabilität“ etwas anfangen kann, deshalb klammern wir uns an jedes bekannte Buzzword, um dem Kind einen irgendwie einprägsamen Namen zu geben. Geoblocking ist griffig und jeder kann damit etwas anfangen. Und so heißt es dann, Geoblocking werde abgeschafft. Dann wieder auf einmal doch nicht. Und am Ende stellt sich heraus: Geoblocking ist nicht gleich Geoblocking. Und ganz abgeschafft wird es schon gar nicht. Damit die Verwirrung nun nicht noch größer wird, hier ein Überblick:

Geoblocking I – Portabilitätsverordnung

Mit der Portabilitätsverordnung soll Geoblocking bei kostenpflichtigen Inhalteanbietern wie Netflix, Sky Go oder Soundcloud abgeschafft werden. Diese dürfen ab kommendem Jahr den Zugriff auf ihre Inhalte nicht mehr sperren, wenn sie ein zahlender Nutzer vorübergehend von einem anderen EU-Land als seinem Heimatland aus abrufen will. Ob sich ein Nutzer dauerhaft oder zeitweise im EU-Ausland aufhält, soll im Zweifel anhand von Rechnungsadresse, Bankkonto oder anderen Informationen festgestellt werden. Das billigere Netflix-Abo aus dem Nachbarland holen und dauerhaft daheim nutzen geht also nicht.

Geoblocking II – Waren und Dienstleistungen

Ebenso wird der Begriff „Geoblocking“ verwendet, wenn Nutzer auf verschiedene Versionen eines Onlineshops verwiesen werden, je nachdem aus welchem Land sie auf den Shop zugreifen. Das ist je nach Land oft auch mit unterschiedlichen Preisen verbunden. In manchen Fällen können Kunden von bestimmten Ländern aus gar nicht bestellen. Da das mit der Idee des EU-Binnenmarktes nicht vereinbar ist, soll auch dieses „Geoblocking“ abgeschafft werden. In Zukunft muss allen Kunden der gleiche Onlineshop zur Verfügung stellen. Händler sind allerdings nicht verpflichtet, auch in alle EU-Länder zu liefern.

Geoblocking III – Rundfunkverordnung

Mit der Reform der Rundfunkverordnung soll Geoblocking durch Rundfunkbetreiber beendet werden. Die stellen zwar viele Angebote in ihren Mediatheken zur Verfügung. Da die damit verbundenen Urheberrechte aber national vergeben werden, werden viele Produktionen für Nutzer aus anderen Ländern gesperrt. Das passiert oft auch als Präventivmaßnahme, um mögliche Verfahren wegen Urheberrechtsverletzungen zu vermeiden.

Im zuständigen Rechtsausschuss des EU-Parlaments fand die Idee keine Mehrheit. Lediglich bei Nachrichtensendungen sollte die Rechteklärung für den Online-Abruf vereinfacht werden (worüber sich der Kommissar für den Digitalen Binnenmarkt, Andrus Ansip, alles andere als erfreut zeigte).

 

Geoblocking wird nicht abgeschafft

Geoblocking wird uns also doch noch eine Weile begleiten – in unterschiedlichster Form. Wenn Sie das nächste Mal also irgendwo lesen: „Die EU schafft Geoblocking ab“, dann können Sie sicher sein, dass das nur ein kleiner Teil der Wahrheit ist — und eine verpasste Chance dafür zu werben, in welchen Lebensbereichen wir täglich von der EU profitieren.

Wie Sie Geoblocking selbst umgehen und sämtliche Inhalte kostenfrei von zu Hause aus sehen können, erfahren Sie in folgendem Video:

 

 

Dieses Video ist in ihrem Land nicht verfügbar.