Brüssel, EU-Kommission, Europaparlament, Medien
Besonders dankbar: die Slowenin Alenka Bratušek © European Union, 2014
10.10.2014

Frisch Gegrilltes und schleimige Bedankerei

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Ganz antizyklisch zur Jahreszeit wurde in den vergangenen zwei Wochen in Brüssel so viel gegrillt, wie im ganzen Sommer nicht. Allerdings kein übliches Grillgut, sondern Menschen. Mit dieser kannibalistischen Anspielung beschreiben Journalisten die Anhörungen der Kommissars-Kandidaten. Und die bedanken sich dafür eifrig und ziehen eine Schleimspur durchs ganze Parlament.

Es ist nicht das erste Mal, dass sich zukünftige Kommissare harten Anhörungen vor den Abgeordneten des EU-Parlaments stellen mussten. Allerdings war es das erste Mal, dass sie sich dafür bedankt haben. Ganz bestimmt gehört es zum guten Benehmen, sich dafür zu bedanken, dass die Abgeordneten drei Stunden lang mühevoll Fragen stellen. Manch ein Kandidat hat es aber wirklich übertrieben.

Besonders charmant: der Brite Jonathan Hill © European Union, 2014

Besonders charmant: der Brite Jonathan Hill © European Union, 2014

Weit vorn dabei war der umstrittene Brite Jonathan Hill, der mit seinem britischen Charme versuchte, sich auch über die kritischsten Fragen zu freuen. Eher zurückhaltend, regelrecht geizig trat Günther Oettinger auf und ließ es bei drei, vier Dankesformeln. Spitzenreiterin war die Slowenin Alenka Bratušek. Nach ihrer Anhörung hat auch der Letzte kapiert, wie man „Vielen Dank für Ihre Frage“ auf Slowenisch formuliert. (Was ihr offenbar nichts genützt hat, nachdem die Abgeordneten gegen sie votiert haben)

Frisch gegrillt

Auch unter Journalisten hat sich eine neue Mode schnell herumgesprochen: Die Kandidaten werden nicht etwa befragt, verhört oder ins Gebet genommen (die Floskelkiste gäbe viel her!). Nein, nun werden die Kandidaten gegrillt. Die Formulierung ist gerade derart beliebt, dass sie sich innerhalb kürzester Zeit unter den Kollegen verbreitet hat.

In diesem – vermutlich aus dem Englischen übernommenen – Sprachbild, werden Menschen auf brutale Art gequält. Die Umstehenden erfreuen sich am dabei aufsteigenden Duft. Die Begeisterung, mit der von „Grillen“ gesprochen wird, spricht Bände über die diebische Freude der Beobachter daran, wenn Kandidaten mit den an sie gerichteten Anforderungen nicht klar kommen, Fragen nicht beantworten können oder allgemein eine schlechte Performance abliefern. Schadenfreude und Schaulust brechen sich hier Bahn!

Aber ganz ehrlich: Wen interessiert es schon, was Kommissions-Kandidat X zu den Themen Klimaschutz, bessere Rechtssetzung und Cybersecurity gesagt hat?

(Der Autor bekennt, selbst ebenfalls schon von „Grillen“ und „Auf kleiner Flamme brutzeln“ gesprochen zu haben.)

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