Brüssel, EU-Kommission, Medien
"Jean-Claude Juncker" bekommt die Unterschriften gegen TTIP überreicht. Foto: Thomas Otto
"Jean-Claude Juncker" bekommt die Unterschriften gegen TTIP überreicht. Foto: Thomas Otto
09.12.2014

Ein Papp-Juncker für die Medienmeute

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Obwohl die Europäische Bürgerinitiative gegen TTIP abgelehnt wurde, haben die Aktivisten weiter Unterschriften gesammelt. Nun ist bereits die Mindestzahl von 1 Mio Stimmen übersprungen worden. Medienwirksam wurden diese Stimmen heute Kommissionspräsident Juncker übergeben – an seinem Geburtstag. Ein Event für die Presse – und zwar ausschließlich für die Presse.

Aktivisten und NGOs brauchen Aufmerksamkeit – vor allem, wenn sie Menschen zu etwas bewegen wollen. In diesem Fall geht es darum, weitere Unterstützer für die Kampagne „Stop TTIP“ gegen das transatlantische Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA zu gewinnen. Eine Million Unterschriften sind schon zusammen, aber es sollen noch mehr werden. Deshalb wurden die bisher gesammelten Stimmen heute medienwirksam „übergeben“.

Das Key Visual

Dass Kommissionschef Juncker selbst die Unterschriften entgegennehmen würde, daran hatte niemand geglaubt. Und so sorgte man für einen Ersatz-Juncker. Denn die Fernseh- und Fotokollegen brauchen eines unbedingt: Gute Bilder. Dafür sorgte ein Herr im Anzug mit dem Gesicht Junckers in Form einer überdimensionalen Papp-Maske. Dem wurden dann in einer Zeremonie als Geburtstagsgeschenk symbolisch die Unterschriften überreicht. Die Marketing- und PR-Profis sprechen von einem Key-Visual, also einem Bild, mit dem die Kernbotschaft übermittelt werden soll: Juncker bekommt zum Geburtstag den Unmut der europäischen Bevölkerung über TTIP überreicht und freut sich darüber gar nicht.

 

"Juncker" bekommt zum Geburtstag über eine Million stimmen gegen TTIP. Foto: Thomas Otto

„Juncker“ bekommt zum Geburtstag über eine Million stimmen gegen TTIP. Foto: Thomas Otto

Solche Key-Visuals hat Greenpeace perfektioniert. Ob vorm Bundeskanzleramt, an einem Kühlturm eines Kohlekraftwerkes oder an der Fassade der Deutschen Bank: Überall schon haben die Aktivisten ihre Botschaften medienwirksam angebracht. Eine einfache Bildersuche bringt zahlreiche Beispiele zum Vorschein. Das nächste Mal, wenn Sie also in der Zeitung oder im TV sehen, wie „Demonstranten“ vorm Bundestag eine Erdkugel in die Höhe heben und mehr Klimaschutz fordern, können sie sich sicher sein, dass es sich nicht um eine Demonstration mit vielen wütenden Bürgern, sondern um ein bis ins Detail inszeniertes Presseereignis handelt.

Die Meute

So eine Aktion kann natürlich nicht im leeren Raum stattfinden, denn sonst würde jeder Zuschauer die Inszenierung sofort enttarnen. Deshalb müssen – neben der ganzen Medienmeute – auch genug Aktivisten vor Ort sein, damit auf allen Bildern stets genug entrüstete Demonstranten zu sehen sind.

 

Die inszenierte Aktion im Panorama. Foto: Thomas Otto

Die inszenierte Aktion im Panorama. Foto: Thomas Otto

Und auch akustisch müssen die Claqueure einiges leisten. So kamen bei der heutigen Inszenierung dann auch die Radio-Kollegen zum Zug: Es wurde lautstark gejohlt, gepfiffen und, begleitet von einer Trompete, eine abgewandelte Version von „Happy Birthday“ gesungen.

Die Profiteure

Die belgische Grüne Jugend kapert die Veranstaltung. Foto: Thomas Otto

Die belgische Grüne Jugend kapert die Veranstaltung. Foto: Thomas Otto

Nicht ganz glücklich waren die Organisatoren wahrscheinlich mit dem Auftritt der belgischen Grünen Jugend. Denn die kaperte kurzerhand die Veranstaltung für ihre eigene Botschaft. Zwar gibt es die unausgesprochene Regel, bei so einer Veranstaltung die mediale Aufmerksamkeit nicht für die eigene Partei zu stibitzen (woran sich z.B. die „Demonstranten“ der Linken mit ihren unauffälligeren Plakaten auch hielten). Die jungen, ungezähmten Grünen kannten aber kein Pardon.