Bundesregierung, Innenpolitik, Sozialpolitik
Künftig an zwei Schreibtischen unterwegs: Frank-Jürgen Weise (Foto: Bundesagentur für Arbeit)
Künftig an zwei Schreibtischen unterwegs: Frank-Jürgen Weise (Foto: Bundesagentur für Arbeit)
20.09.2015

BAMF-Präsident und BA-Vorstand: Voll-, halb oder gar nicht weise?

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Seit Ende dieser Woche nun steht fest: Frank-Jürgen Weise, Vorstand der Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg, soll auch Präsident des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge werden. Minister loben sich für die Idee, formulieren Erwartungen und hoffen, dass Weise zumindest den Antragsstau bekämpft.

Viel wird geschrieben in diesen Tagen, darüber, was Frank-Jürgen Weise alles kann oder nicht kann. Was er schaffen muss, als BAMF-Präsident. Und darüber, dass BAMF und BA beide in Nürnberg sitzen. Bloß: Geht das überhaupt, dass Weise Präsident einer weisungsabhängigen oberen Bundesbehörde im Innenressort und zugleich Vorstandsvorsitzender der Bundesagentur für Arbeit ist? Ein Blick ins Gesetz zeigt, dass die Personalunion große Schwierigkeiten mit sich bringt.

Einschlägig für den Arbeitsagentur-Vorstand ist eine Regelung im Sozialgesetzbuch III.

(5) Die Vorstandsmitglieder dürfen neben ihrem Amt kein anderes besoldetes Amt, kein Gewerbe und keinen Beruf ausüben und weder der Leitung eines auf Erwerb gerichteten Unternehmens noch einer Regierung oder einer gesetzgebenden Körperschaft des Bundes oder eines Landes angehören. Sie dürfen nicht gegen Entgelt außergerichtliche Gutachten abgeben. Für die Zugehörigkeit zu einem Aufsichtsrat, Verwaltungsrat, Beirat oder einem anderen Gremium eines öffentlichen oder privaten Unternehmens oder einer sonstigen Einrichtung ist die Einwilligung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales erforderlich; dieses entscheidet, inwieweit eine Vergütung abzuführen ist.

Klar geregelt ist: das BAMF ist eine obere Bundesbehörde. Der Präsident bekommt nach Bundesbesoldungsordnung Sold der Stufe B8. Es handelt sich um ein (anständig) besoldetes Amt, das explizit einem Bundesagentur für Arbeit-Vorstand untersagt ist. Eine Nichtbesoldung ist nicht vorgesehen. Einziger Ausweg für die Personalunion: zu argumentieren, es handele sich um eine sonstige Einrichtung und nur um eine Zugehörigkeit – allerdings dürfte das bei einer Muss-besoldeten Präsidenten-Stelle in einer dem BMI nachgeordneten Oberbehörde kaum haltbar sein.

Die Idee des Doppelrollen-Verbots bei der Agentur für Arbeit ist übrigens recht logisch: die BA ist in ihrer Tätigkeit vergleichsweise unabhängig, und genau das soll damit garantiert sein.

[Ergänzung Sonntag, 20.09.2015: eine am Freitagabend an das BMI gerichtete Anfrage diesbezüglich blieb bis Sonntagmittag ohne jede Antwort.]

[Nachtrag Montag, 21.09.2015: Der Bundesinnenminister sagt:

Aber kann ein Beamter auf den gesetzlich festgelegten Sold verzichten? Ist die Norm im SGB III tatsächlich ausschließlich auf Vermeidung des Doppelverdienstes gerichtet zu verstehen und stellt nicht auch auf die spezielle organisatorische Verfasstheit der Bundesagentur ab? Fragen, auf die bislang keine detaillierte Antwort aus dem Bundesministerium des Innern zu bekommen war – dem Ministerium, das für Beamtenrecht und Besoldungsfragen zuständig ist.

Nachtrag Montag, 21.09.2015 (II): Das Bundesinnenministerium teilt mit:

Herr Weise ist mit der Wahrnehmung der Leitung des BAMF beauftragt, ohne dafür zusätzlich besoldet zu werden. Die Details werden derzeit ausgestaltet. Ein Konflikt, zwischen den von Ihnen genannten Vorschriften wird dabei ausgeschlossen werden.

Problem: Frank-Jürgen Weise wird bislang gar nicht besoldet. Als Vorstand der Bundesagentur für Arbeit bekommt er eine Vergütung, aber keinen Sold. Und keinen Sold zu bekommen, ist im Beamtenbesoldungsgesetz explizit ausgeschlossen:

(3) Der Beamte, Richter oder Soldat kann auf die ihm gesetzlich zustehende Besoldung weder ganz noch teilweise verzichten; ausgenommen sind die vermögenswirksamen Leistungen.

Es bleibt also spannend.

Nachtrag Dienstag, 22.09.2015: Poesie aus dem BMI

Dr. Weise erhält nicht im statusrechtlichen Sinne das Amt des BAMF-Präsidenten. Er soll die Behörde in ihrer fachlichen Weiterentwicklung leiten. Dies schließt die Wahrnehmung herausgehobener operativer Steuerungsprozesse ein, die unter Hinzuziehung von externem Sachverstand fortentwickelt und – wo nötig – konzeptionell neu aufgesetzt werden sollen. Hierzu gehören insb.

  • Optimierung der behördeninternen Ablaufprozesse inklusive der IT-Verfahren,
  • Beschleunigung der Personalaufstockung und
  • Verkürzung der Antragsverfahren.

Es handelt sich um eine Organisationsentscheidung, die der großen sachlichen Nähe und den Schnittstellen zwischen den Aufgaben der BA und dem BAMF Rechnung trägt.

Es besteht kein Widerspruch zu § 382 Absatz 5 SGB III (weil ihm das Amt des Präsidenten nicht statusrechtlichen Sinne übertragen wird) und keine Interessenkollision mit seinen (fortbestehenden) Aufgaben als Vorstandsvorsitzender der BA.

Da Herr Dr. Weise nicht zum Beamten ernannt wird, sind die Vorschriften des Bundesbesoldungsgesetzes nicht anwendbar. Die Frage eines Verzichts auf die Besoldung stellt sich daher nicht. Auf eine Bezahlung kann dagegen verzichtet werden.

Übersetzt: Frank-Jürgen Weise wird nicht Präsident des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, das wäre auch nach Auffassung des Bundesinnenministeriums rechtlich inkompatibel mit den Regelungen für die Bundesagentur für Arbeit. Die tatsächliche Rolle des Frank-Jürgen Weise beim BAMF ist also absolut unklar – anders als es Thomas de Maizière, Innenminister, noch am Freitag formulierte:

Ich habe heute Herrn Frank Jürgen Weise, den Vorstandsvorsitzenden der Bundesagentur für Arbeit, gebeten, in Personalunion Präsident des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge zu werden. Er soll also beide Aufgaben gleichzeitig übernehmen.

Dann ist ja alles gut. Oder?

Kommentare zu diesem Beitrag (1)

  1. Kater Mikesch | 23. September 2015, 8:34 Uhr

    Nachfrage

    Wenn Herr Weise also nicht „im statusrechtlichen Sinne“ Präsident des BAMF wird, was passiert dann mit der Stelle? Bleibt die formal unbesetzt oder wird die abgeschafft? Haben Sie das mal nachgefragt? Und ist der Vorgänger bereits rechtskräftig ausgeschieden?

    Zuständige sind das im Innenministerium… Man ist sichtlich gefordert – vielleicht auch überfordert?