Berlin, Brüssel, Bundestag, Europaparlament, Gesundheitspolitik, Innenpolitik 03.03.2016

Von Drogen und Abgeordneten: Nüchtern betrachtet…

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Es ist in den vergangenen Jahren immer wieder viel geschrieben worden über den (möglichen) Drogenkonsum von Abgeordneten. Und die Liste der Beispiele wäre lang, wir zeigen hier nur ein paar Bekanntere auf – und erläutern.

Alexander Alvaro, damals für die FDP Vizepräsident des Europäischen Parlamentes, war 2013 an einem schweren Unfall beteiligt – dabei kam heraus, dass er Betäubungsmittel (Zeitungsberichten zufolge Kokain) im Blut hatte. Allerdings soll dies mit dem Unfall nicht in unmittelbarem Zusammenhang gestanden haben. Das Verfahren gegen Alvaro wegen des Unfalls ist zwar beim Landgericht Köln anhängig, aber bislang nicht eröffnet worden.

Cem Özdemir, Parteivorsitzender der Grünen, stellte sich eine Hanfpflanze auf seinen Kreuzberger Balkon. Die eher symbolische Pflanze, die für den liberaleren Kurs der Partei in Drogenfragen steht, sorgte für einige Aufregung. Dass sich wenige Meter entfernt am Kottbusser Tor ein jahrelanger Drogenhandelsschwerpunkt befindet, bei dem außer Frage steht, dass dort quasi alles gekauft werden kann, störte den PR-Gag kaum.

Michael Hartmann, SPD-Bundestagsabgeordneter und langjähriger Innenpolitiker, hatte im Herbst 2013 1 Gramm Crystal Meth in einer Laubenkolonie erworben, wie er selbst einräumte. Hartmann hatte in Fragen der Drogenpolitik Standpunkte geäußert wie:

Eine Legalisierung von Drogen ist aber etwas anderes als die Entkriminalisierung der Süchtigen. Eine Legalisierung kann niemand wollen, der beispielsweise den Schutz von Kindern und Jugendlichen vor Drogen und Sucht ernst nimmt. […] Wir sind der Auffassung, dass das gesundheitliche Gefährdungspotential durch regelmäßigen und intensiven Cannabis-Konsum, vor allem auch für die immer jüngeren Erstkonsumenten ernst zu nehmen ist und keinesfalls unterschätzt und bagatellisiert werden darf. Cannabis ist keine harmlose Substanz. Cannabiskonsum birgt wesentliche gesundheitliche und soziale Risiken.

Hartmann soll das Gramm Crystal Meth in einer Laubenkolonie in Berlin erworben haben – weit weg von den eigentlich als Problembezirken bekannten Gegenden der Stadt.

Crystal, Cannabis, Kokain, aber auch andere Substanzen wie das konzentrationssteigernde Ritalin oder Schlafmittel: Das stressige und extrem unregelmäßige Politikleben und Drogenmissbrauch können schnell eine Liaison eingehen. Aufputschen, extrem lange wach sein, höchste Konzentration – und dann Runterkommen, Entspannen. Im historisch drogenliberalen Berlin ist die Beschaffung selbst jedenfalls kein Problem.

Die im Politikumfeld wohl verbreitetste Droge ist und bleibt jedoch der Alkohol. Der ist auch im Bundestag für Abgeordnete problemlos verfügbar. Wohl eines der bekanntesten Beispiele war der CDU-Politiker Andreas Schockenhoff, im Dezember 2015 verstorben – allerdings nicht in Folge des Alkoholmissbrauchs – musste nach einer Trunkenheitsfahrt öffentlich einräumen, dass er ein Problem habe, Maß zu halten. Und damit ist er nicht allein.

Tatsächlich wird von Berufspolitikern ein gewisses Maß an Suff durchaus erwartet: sie sollen bei Terminen gesellig sein, nicht so steif, und beim dritten Bier klingt manche Äußerung für die Beteiligten auch gleich viel sinnvoller. Dazu kommt, dass im Politikbetrieb insgesamt, und nicht nur von Abgeordneten, kräftig getrunken wird – Neujahrsempfänge, Sommerfeste, Jubiläen, Get Together bis hin zum Bundespresseball: die wenigsten derartigen Veranstaltungen verlaufen trocken.

Das wiederum führt aber auch bereits zu dem nächsten Problem. Denn dort laufen natürlich auch Mitarbeiter der Fraktionen und Abgeordneten herum, die oft eine vergleichbare Taktung wie ihre Abgeordneten pflegen. Und, das sollte auch klar sein, Journalisten sind natürlich auch nicht gefeit davor, zu tief ins Glas zu schauen oder auch zu anderen Substanzen zu greifen.

Allerdings sagen langjährige Beobachter des politischen Betriebs, dass insgesamt doch weniger gesoffen würde – vor allem zu Bonner Zeiten seien Politiker, Mitarbeiter und Journalisten regelmäßig gemeinsam auf intensiver Promillejagd gewesen. Das ist heute nicht mehr die Regel, sondern die Ausnahme. Ob früher oder heute mehr andere Substanzen Popularität erlangt haben, ist hingegen nicht bekannt. Dass aber in den Rheinauen, unweit des alten Bundestages, auch schon mal Abgeordnete mit leicht süßlich riechenden, selbst geklebten Dreiblatt-Tabakwaren beobachtet wurden, davon können ältere Politikberichterstatter durchaus noch berichten…