Berlin, Innenpolitik, Kommentare, Rechtspolitik
Gudula Geuther im Hauptstadtstudio von Deutschlandradio / Foto: Bettina Straub
06.04.2016

Freierstrafbarkeit: Alles andere als ein Kavaliersdelikt

Von

Ein Kommentar

im Deutschlandfunk

 

In wenigen Lebensbereichen ist so umstritten, wie rechtlich mit ihnen umzugehen ist – und das ist kein Wunder. Bei der Prostitution treffen kaum vereinbare Grundhalten aufeinander. Wenn es um Zwangsprostitution geht, spielen freilich unterschiedliche Moralvorstellungen gar keine Rolle.

Und auch die sonst höchst kontrovers diskutierte Frage, wie viele Frauen das eigentlich freiwillig machen und was freiwillig überhaupt ist, stellt sich hier weniger scharf. Denn um bloße Armutsprostitution geht es hier nicht.

Wenn in Zukunft Freier von Zwangsprostituierten mit Strafe bedroht werden sollen, dann geht es um die, die es ausnutzen, dass eine Frau die Tausende von Euro abarbeiten muss, die für die Reise nach Deutschland wirklich oder angeblich angefallen sind. Und die, die Reise vielleicht unter der Vorstellung angetreten hat, hier eine Arbeit im Hotel zu finden. Es geht um körperlichen Zwang oder um Drohung. Und es geht auch um diejenigen, die – nur – ausnutzen, dass die Prostituierte kaum deutsch oder englisch spricht, keine Ahnung hat, wo sie hingehen könnte und schon deshalb ihrem Zuhälter völlig ausgeliefert ist.

Es dürfte keine Frage sein, dass hier nicht nur das Verhalten des Zuhälters strafwürdig ist, sondern auch dessen, der im Wissen um die Zwangslage gerne weniger zahlt. Dass es trotzdem lange nicht voran ging mit der Freierstrafbarkeit hat denn auch ganz andere Gründe als Verständnis für die Täter. Wenn ein Opfer von Zwangsprostitution überhaupt je eine Chance hätte, Helfer zu finden, dann unter Freiern, sagten Vertreter von Hilfsorganisationen. Tatsächlich finden sich dort, wo Menschen so krass ausgenutzt werden, offenbar sehr wenige solche Helfer. Trotzdem ist das Argument ernst zu nehmen. Nur: Wer anzeigt, dass die Frau oder auch der Mann ausgenutzt wird, geht straffrei aus. Das zweite Argument gegen die Freierstrafbarkeit ist in der Praxis relevanter: Der neue Straftatbestand – wenn er denn kommt – dürfte zu wenigen Verurteilungen kommen. Schon heute findet die Polizei in Deutschland wenige Zwangsprostituierte, unter 500 waren es 2014. Gleichzeitig geht die EU-Kommission von mehreren Zehntausend Betroffenen in Europa aus. Und: bestraft werden soll der Täter nach dieser Vorschrift ja nicht, weil er die Frau besonders schlecht behandelt – das ist zum Beispiel als Vergewaltigung ja jetzt schon strafbar. Strafwürdig handelt er, weil er um die Notlage wusste – und das wird kaum mal nachzuweisen sein. Bloß symbolische Gesetzgebung ist das trotzdem nicht. Solange der Staat seinen Strafanspruch ernst meint.

Aber es zeigt: Eine Strafnorm wird wenig am Problem ändern. Sie darf deshalb nicht allein stehen. Die Koalition versucht, mit dem Prostituiertenschutzgesetz näher ans Milieu heranzukommen. Die Polizei, Behörden sollen so genannte Betriebsstätten untersuchen dürfen, Frauen sollen zum Beispiel mit dem Arzt Ansprechpartner in der Not bekommen. Vieles an dem Gesetz ist fragwürdig, aber dieser Versuch, ein wenig Licht ins Dunkel zu bringen, ist richtig.

Und wichtiger als eine Strafvorschrift. Auch wenn die noch einmal deutlich macht, worum es geht: Um alles andere als ein Kavaliersdelikt.

(tb + ar)