Berlin, Bundesregierung, Wirtschaftspolitik 15.08.2014

Gabriel als Kümmerer der Wirtschaft

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Sigmar Gabriel als Wirtschaftsminister – das war für viele in der Wirtschaft vor einem Jahr noch kaum vorstellbar. Ob und wie das funktioniert, versuchte Theo Geers bei einer Reise Gabriels herauszufinden.

Auch ein Minister muss sich Vertrauen erst erarbeiten. Sigmar Gabriel ist seit fast 9 Monaten Bundesminister für Wirtschaft und Energie, so sein offizieller Titel. Er hat sich dieses Ressort bekanntlich nicht nur mit Bedacht ausgesucht, er hat es auf sich zugeschnitten. Doch das Vertrauen in der Wirtschaft in den für sie zuständigen Minister wächst nur langsam. Es fehlt offenkundig der wirtschaftsnahe Stallgeruch, von dem Gabriel umgekehrt genug hat, wenn es um sein anderes politisches Amt geht, das des SPD-Vorsitzenden. Zudem hat diese Partei der Wirtschaft in den ersten Monaten der Großen Koalition einiges zugemutet. Mindestlohn, Rente mit 63 – all das wird mit der SPD und damit auch ihrem Vorsitzenden verbunden. So ist die Kombination aus SPD-Chef und Wirtschaftsminister auch ein Grund, warum viele in „der Wirtschaft“ mit „ihrem“ Minister offenkundig immer noch fremdeln.

Sigmar Gabriel muss folglich zeigen, dass er nicht nur Vizekanzler kann, sondern dass er auch Wirtschaft kann – und Gabriel weiß das. Die SPD müsse wirtschaftsfreundlicher werden hat er vor kurzem als Parole ausgegeben. Und weil aus Parolen schnell hohle Werte werden, gleich eine viertägige Sommerreise dran gehängt, hin zu denen, für die er als Minister zuständig ist. Vier Tage lang hat er ostdeutsche Unternehmen besucht, sich die Sorgen der Filmindustrie in Babelsberg ebenso angehört wie die der Betreiber von Windparks in der Ostsee oder von mittelständischen Unternehmern in Sachsen und Thüringen. Erlebt hat Gabriel dabei einiges, auch Dankbarkeit. Zum Beispiel dafür, dass die erste und vielleicht sogar wichtigste Reform seiner Amtszeit, die Reform des Erneuerbare Energien Gesetzes (EEG),  unter den gegebenen Umständen aus Sicht der Industrie so gerade noch was geworden ist. Gabriel hat die Ausnahmen für die energieintensiven Unternehmen über die Reform gerettet – gegen den erklärten Willen der  EU-Kommission, die darin zunächst eine unzulässige Beihilfen erblickte. Ohne diese Ausnahmen wären wir pleite, hörte er nun beispielsweise im  ehemaligen DDR-Chemiekombinat Leuna, der Minister glaube gar nicht wie dankbar man sei, dass dieses Damoklesschwert entfernt wurde. So etwas kommt bei der Vertrauenssuche schon mal aufs Habenkonto.Doch das soll und muss sich noch weiter füllen.

Gabriel, das ist auf dieser Sommerreise klar geworden, präsentiert sich in bester sozialdemokratischer Manier Kümmerer. Sein Image verbessert man am besten indem man was Vernünftiges macht, sagt er am Tag drei der Reise, am gleichen Abend ist zu beobachten, wie das zu verstehen ist. Gabriel ist der Lockvogel für einen kurzfristig organisierten Wirtschaftsempfang der sächsischen SPD. Stilecht wird dazu auf einen Elbdampfer eingeladen. Während der Fahrt geht Gabriel von Tisch zu Tisch, sucht das Gespräch mit den Mittelständlern – und am Ende stecken einige Visitenkarten von Unternehmern in des Kümmerers Jackentasche, auf der Rückseite in Stichworte, wo der Schuh gerade drückt. Sigmar Gabriel als Kümmerer für die Industrie und Wirtschaft – so gefällt sich der Wirtschaftsminister. Abzuwarten ist, ob und in welchem Umfang seine Partei da mitzieht.