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Manuela Schwesig (links im Bild) und Frank Capellan (rechts) haben das Raumschiff Berlin verlassen - und sich in einen Reinraum begeben. (c) Frank Capellan/Deutschlandradio Hauptstadtstudio
Manuela Schwesig (links im Bild) und Frank Capellan (rechts) haben das Raumschiff Berlin verlassen - und sich in einen Reinraum begeben. (c) Frank Capellan/Deutschlandradio Hauptstadtstudio
29.08.2014

Raus aus dem Raumschiff?

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Erdung, das sei wichtig, sagt Manuela Schwesig. So hoch hinaus, wie es in seiner Heimat nur geht, das ist das Ziel von Thomas Oppermann. Fernab der Hauptstadt nehmen sich Bundespolitiker und Journalisten in der Sommerpause Zeit zum gegenseitigen Beschnuppern. Es war Sommer, und sie waren auf Reisen. Allen voran die Genossen. Endlich mal raus! Raus aus dem Raumschiff Berlin. Die Hauptstadtpresse mal wieder erden. Den nöligen Journalisten mal zeigen, wie und wo das Leben wirklich spielt. Deshalb laden sie uns ein auf solche Sommerreisen. Aber natürlich auch, um Zeit miteinander zu verbringen, um zu diskutieren, zu argumentieren, zu überzeugen. Das geht beim Wandern, beim Essen, beim Bötchenfahren. In angenehmer Umgebung, in entspannter Atmosphäre, eben … beim Wein, beim Bier. „Heimatliebe“ lässt Thomas Oppermann auftischen. Ein deftiges Helles oder Dunkles aus Duderstadt. Am Abend, im Gewölbekeller des Hotels zum Löwen, braut sich was zusammen. Die Ukraine-Krise, die Waffen für den Irak… Der SPD-Fraktionschef hat viel zu klären in diesen Tagen – und vieles zu erklären. Reichlich Gesprächsstoff für die Berliner Runde. Aber eben auch Zeit für Heimatgefühle. Oppermann ist weitaus verwurzelter in seinem Niedersachsen als man glauben möchte.

Georg Christoph Lichtenberg, umarmt von Thomas Oppermann. Fuat Dushku fertigte die Bronzeskulptur (links im Bild) aus  eingeschmolzenen Enver Hodscha-, Lenin- und Stalin-Büsten. (c) Frank Capellan / Deutschlandradio Hauptstadtstudio

Georg Christoph Lichtenberg, umarmt von Thomas Oppermann. Fuat Dushku fertigte die Bronzeskulptur (links im Bild) aus eingeschmolzenen Enver Hodscha-, Lenin- und Stalin-Büsten. (c) Frank Capellan / Deutschlandradio Hauptstadtstudio

Und beliebt ist er ohnehin. In der Fachwerkidylle von Duderstadt, direkt an der ehemaligen Zonengrenze, zollt ihm selbst der Alt-Bürgermeister von der CDU Respekt. Da werden Anekdoten erzählt von Anno Schröder. Alt-Kanzler Schröder, für viele immer noch ein rotes Tuch in der katholischen Eichsfeld-Diaspora. Alles war rot geflaggt im Rathaus, als Schröder mal kam, welch ein Graus. „Wir haben es überlebt“, meint der CDU-Mann … und mit dem Thomas Oppermann, ja, „mit dem kann man reden!“ Nun gut, der muss ja auch in Berlin den Schwarz-roten Laden zusammenhalten. Im Zuge der Edathy-Affäre wäre ihm der fast um die Ohren geflogen. Die CSU machte ihn für den Friedrich-Rücktritt verantwortlich. Oppermann – sonst auf allen Kanälen zu sehen und zu hören – war dann lieber mal weg. Jetzt ist er wieder da. Und wie!

Gipfelsturm auf dem Goethe-Weg

Gerade 60 geworden und fit wie ein Turnschuh. Kürzlich war er in Kärnten wandern, 12 Stunden, 1800 Höhenmeter, an einem Stück, kein Wunder, dass der Weg auf seinen Hausberg für ihn ein Spaziergang ist. Strammen Schrittes führt er auf den 1142 Meter hohen Brocken, schnaufend lässt er manchen Medienvertreter hinter sich. Der Dampfzug bringt sie wieder runter, Oppermann aber geht auch zurück zu Fuß. „Einmal im Jahr muss ich hier rauf“, erzählt er beim Anstieg über den Goethe-Weg. Das hat er nach der Wende geschworen und bis heute Wort gehalten. Bis 1989 Niemandsland, Grenzgebiet, heute von den Massen erstürmt. Etwas Besonderes hat der Brocken für ihn, „weil er so frei da liegt“, über allem thront, gerade wenn man sich aus den Berliner Ebenen dem Harzer Gipfel nähert.

Thomas Oppermann kann sich begeistern. Auch für Raumfahrt. (c) Frank Capellan / Deutschlandradio Hauptstadtstudio

Thomas Oppermann kann sich begeistern. Auch für Raumfahrt. (c) Frank Capellan / Deutschlandradio Hauptstadtstudio

Stolz ist Oppermann auf seine Heimat, das ist auf Schritt und Tritt zu spüren. Auch als er durch seine heutige Heimatstadt Göttingen führt. Wissenschaftsminister war er mal in Niedersachsen, die Wissenschaft fasziniert ihn bis heute. Im Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung kennen sie ihn. Die ESA-Mission „Rosetta“ wäre ohne die Göttinger nicht denkbar. Wenn die Sonde im November nach zehn Jahren im All auf einem Kometen landen wird, haben sie Kamera und Teleskoptechnik aus Niedersachsen an Bord. Die Wissenschaftler fiebern dem entgegen, Oppermann fiebert mit, die Medienmenschen staunen. Ein bisschen Erdung kann nicht schaden. Wissen, wohin das Geld aus Berlin geht. Lernen, warum manches nicht so funktioniert, wie sie sich das in der Raumstation an der Spree ausgedacht haben.

Näher an die Probleme

Aus dieser Motivation geht auch Manuela Schwesig auf Sommerreise. Ministerin für Frauen und Familie. Von Gerhard Schröders „Gedöns“  ist schon lange keine Rede mehr. Die (Nord-)Ostdeutsche aus Schwerin tourt im Süden. Spricht mit „Sexarbeiterinnen“, die aussteigen wollen und sich in einer Nürnberger Beratungsstelle darüber informieren, wie ein Neuanfang gelingen könnte. Schwesigs Prostituiertengesetz wird hier heiß diskutiert. Rot-grün wollte einst die Legalisierung, viel ist schief gelaufen, die junge Ministerin muss korrigieren, was gegen Zwangsprostitution tun, einen Ruf bekämpfen, den, dass Deutschland zum „Bordell Europas“ geworden sei.

In Erlangen informiert sie sich über Aufstiegschancen von Frauen. Diskutiert mit weiblichen Führungskräften von Siemens darüber, wie sich Karriere und Familie unter einen Hut bringen lassen. Ein Thema bei dem die 40jährige ganz schnell so richtig geladen ist. Sie streitet für die Frauenquote und bessere Kinderbetreuung. Vor dem Rundgang durch das Gerätewerk muss sie mit Bändern unter den Schuhen erst einmal geerdet werden und einen weißen Kittel überziehen – damit die hochempfindliche, High-Tech-Steuerungstechnik, die hier hergestellt wird, keinen Ministerinnen-Schaden nimmt…

Von den schwarz-gelben Bändchen will sie dann gleich welche mit ins Kabinett nehmen: „Da müsste auch so mancher mal geerdet werden“, scherzt sie.  Die Journalisten nicken eifrig. Mission erfüllt… Politik konkret machen. Politiker mal ganz nah erleben. Das ist der Sinn dieser Reisen. Der Sommer ist vorbei. Schade. Und bald sind sie wieder alle an Bord – im Berliner Raumschiff.