Parteien, Wahlen und Wahlkampf
Gewinne und Verluste im stärksten Wahlkreis der AfD, Oder-Spree-II. Darstellung: Landeswahlleiter Brandenburg
Gewinne und Verluste im stärksten Wahlkreis der AfD, Oder-Spree-II. Darstellung: Landeswahlleiter Brandenburg
15.09.2014

AfD-Wähler: Alles unklar

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Die AfD spricht von sich selbst als „neuer Volkspartei“ (Bernd Lucke), Kommentatoren sehen sie als Partei, die sich nach den Landtagswahlen in Sachsen, Brandenburg und Thüringen etabliert habe. Aber stimmt das?

Die Alternative für Deutschland erschreckt die etablierte Parteienlandschaft. Nach der Europawahl und der Sachsenwahl hat sie nun aus dem Stand den Sprung in zwei weitere Landtage geschafft: Thüringen und Brandenburg. Doch kann man bereits von einer Etablierung sprechen? Dafür ist es bei Weitem noch zu früh.

Brandenburg: Gewinne bei Kleinparteien, Linken und FDP-Wählern

Zuerst ein Blick auf die Zahlen in Brandenburg. Die besten Ergebnisse hat die AfD in den Wahlkreisen Frankfurt an der Oder – 21,3 Prozent der 48,7 Prozent Wähler machten bei ihr das Kreuz – und im südlichen Nachbarwahlkreis Oder-Spree II eingefahren. Hier gaben ihr 19,7 Prozent der 46,2 Prozent Wähler die Zweitstimme. Für beide Wahlkreise gilt: der große Verlierer ist die Linkspartei – in Frankfurt/Oder  verlor sie 9,2 Prozent, im Wahlkreis Oder-Spree II sogar 11,9 Prozent.

Doch was ist die Motivlage der Brandenburger Wähler, bei der AfD ihr Kreuz zu machen?

Motive der Brandenburger Wähler die AfD zu wählen

Diese Aussagen haben eine klare Botschaft: zwei Drittel Protest. Auffällig ist, dass dort, wo in Brandenburg die AfD am stärksten ist, die Linkspartei und die FDP deutliche Verluste hinnehmen mussten – und die CDU sogar noch leicht hinzugewann, bei stark gesunkener Wahlbeteiligung.

Gewinne und Verluste im stärksten Wahlkreis der AfD, Oder-Spree-II. Darstellung: Landeswahlleiter Brandenburg

Gewinne und Verluste im stärksten Wahlkreis der AfD, Oder-Spree-II. Darstellung: Landeswahlleiter Brandenburg

Doch Wähler bei der Linken abzuholen, das dürfte kein Rezept für die AfD sein, wenn sie im Westen punkten will. Dort dürfte eher die von der FDP gewonnene Wählerschaft eine Rolle spielen. Doch das allein dürfte kaum reichen, weshalb sich der Blick nach Thüringen lohnt.

Thüringen: Kreuz und Quer Wähler gewonnen

In Thüringen hat die AfD am stärksten jene Wähler eingesammelt, die bisher keine der großen Parteien gewählt haben. Jenseits dessen ist kein eindeutiger Trend innerhalb der Wählerwanderung auszumachen.

In den aus Sicht der AfD besonders erfolgreichen Wahlkreisen verloren vor allem SPD und FDP – aber auch die Freien Wähler.

Ergebis Saale-Holzland-Kreis-II, AfD-Hochburg in Thüringen (c) Landeswahlleiter Thüringen

Ergebis Saale-Holzland-Kreis-II, AfD-Hochburg in Thüringen (c) Landeswahlleiter Thüringen

Auch hier legte auch die CDU leicht zu (bei leicht gesunkener Wahlbeteiligung sind dies aber nicht mehr CDU-Wähler). Die Motive der Thüringer AfD-Wähler sind allerdings keineswegs alle für Westerfolge tauglich:

Motive der Thüringer Wähler die AfD zu wählen

Mit einem gehörigen Schuss Ostalgie jedenfalls wird man bei den anstehenden Landtagswahlen in Hamburg und Bremen im kommenden Jahr wohl nur nur sehr wenige Wähler überzeugen können.

Aussicht auf die kommenden Wahlen

Mit Spannung dürften Beobachter also nun Wetten abschließen, wie sich die AfD in den kommenden Monaten – Hamburg wählt erst am 15. Februar, Bremen am 10. Mai 2015 – politisch präsentiert. Hamburgs Wähler haben mit der Statt-Partei 1993 und der Partei Rechtstaatliche Offensive (Schill-Partei) 2001, die sogar mit schwarz-gelber Koalition an der Landesregierung beteiligt wurde, in den vergangenen 21 Jahren gleich zwei mal neuen Parteien den Einzug in die Bürgerschaft erlaubt – um sie danach in hohem Bogen wieder aus dem Landesparlament zu werfen.

Brandenburg und Thüringen zeigen: die AfD-Wähler wählen sie zu großen Teilen aus Protest – und zugleich durchaus auf die Landesverhältnisse bezogen. Ausgemacht ist derzeit also noch nichts. Weder die Europawahl noch die – jenseits des numerischen Ergebnisses – drei sehr unterschiedlich zu sehenden Landtagswahlen kann die AfD derzeit seriös als nachhaltige Etablierung im Parteiensystem werten. Klar ist nur: niedrige Wahlbeteiligung und eine verbreitete Enttäuschung in der Wählerschaft begünstigen derzeit die Ergebnisse der Partei. Was mittelfristig zu einer Etablierung, aber genau so sehr auch zu einer Implosion der Wahlergebnisse führen kann.