Bundestag, Innenpolitik, Medien, Rechtspolitik
In Medien gibt es manchmal nicht ausreichend viel Platz für wesentliche Aspekte. (c) Falk Steiner / Deutschlandradio Hauptstadtstudio
In Medien gibt es manchmal nicht ausreichend viel Platz für wesentliche Aspekte. (c) Falk Steiner / Deutschlandradio Hauptstadtstudio
30.09.2014

Staatsangehörigkeitsentzug: Naheliegend, aber kaum umsetzbar

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Terroristischen Kämpfern die Staatsangehörigkeit entziehen? Von den Grenzen des Rechts und den Grenzen der Berichterstattung.

Hin und wieder gerät die politische Berichterstattung an ihre Grenzen. Das ist besonders häufig der Fall, wenn markige Forderungen im Raum stehen, die so rechtlich nicht zu verwirklichen sind. Der Berichterstatter hat dann die Wahl: Er kann versuchen, die Schwierigkeiten zu erläutern, damit das Format zu sprengen und den Hörer zu langweilen, er kann die Forderung einfach ignorieren, was mit der Chronistenpflicht kollidiert. Oder er gibt die Forderung eben einfach wieder und zitiert irgend jemanden, der ihr widerspricht. Die These wird damit trotzdem weiter verbreitet. Vermutlich kennen diese Mechanismen auch die, die die markigen Forderungen aufstellen. Egal wie undurchführbar – sie beleben das Geschäft.

Aktuelles Beispiel für diesen Mechanismus: Die Forderung, Kämpfern in Terrororganisationen, namentlich des Islamischer Staates, die deutsche Staatsangehörigkeit zu entziehen – zumindest Doppelstaatlern. Ursprünglich erhoben von Unions-Fraktionsvize Thomas Strobl, geisterte sie am Wochenende wieder durch die Nachrichten. Nur leider: Ohne Verfassungsänderung dürfte das nicht gehen. Artikel 16 des Grundgesetzes sagt klipp und klar: „Die deutsche Staatsangehörigkeit darf nicht entzogen werden.“ Damit wäre nun eigentlich Schluss mit der Diskussion. Allerdings: Wer die Idee am Leben erhalten will, verweist auf Satz 2 der Vorschrift: „Der Verlust der Staatsangehörigkeit darf nur auf Grund eines Gesetzes und gegen den Willen des Betroffenen nur dann eintreten, wenn der Betroffene dadurch nicht staatenlos wird.“ Also – geht doch? Doppelstaatler können doch die Staatsangehörigkeit verlieren? Nein, aber da hören die Möglichkeiten der meisten Medien leider auf. Und deshalb bleibt die These im Raum.

Also – warum geht es nicht? Weil Entziehung und Verlust unterschiedliche Dinge sind. Und weil die Voraussetzungen für einen Verlust in den IS-Fällen nicht vorliegen werden. Entzogen werden kann die deutsche Staatsbürgerschaft nicht, gar nicht, auch dann nicht, wenn der Betroffene eine andere Staatsangehörigkeit hat, da sind sich wohl alle Fachleute einig. Der Unterschied zwischen den beiden Akten lässt sich ungefähr so beschreiben: Entzogen wird die Staatsangehörigkeit gezielt für bestimmte Personen oder Gruppen. Für den Verlust setzt der Betroffene selbst den Grund durch eigenes Handeln, das er vermeiden könnte. Das kann die Adoption durch einen Ausländer sein, oder – wenn es keine anderen Abkommen gibt – die Annahme einer anderen Staatsangehörigkeit. Man sieht schon: Es geht nicht um Strafmaßnahmen, es geht nicht um Verhaltensweisen, die sich gegen den deutschen Staat richten. Es geht um Handlungen, die gerade mit dem anderen Staat zu tun haben. Das kann auch der Kampf für eine fremde Macht sein, und das ist es auch schon. Es hat aber seinen guten Grund, warum das nicht irgendwelche Kämpfe sind.

Die deutsche Staatsangehörigkeit verliert derzeit, wer „freiwillig, ohne Zustimmung der zuständigen (gemeint ist: deutschen) Behörde in den Dienst von Streitkräften oder vergleichbaren bewaffneten Verbänden eines ausländischen Staates eintritt, dessen Staatsangehörigkeit der oder die Betroffene ebenfalls besitzt“, so umschreibt es derzeit die Bundesregierung selbst. Der Grund: Wer das tut, hat sich so weit an den anderen Staat angenähert, vom deutschen Staat entfernt, dass der Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit gerechtfertigt ist. Die Frage, ob der Betreffende dadurch staatenlos wird, ist also noch eine andere, daneben stehende, die zusätzlich zu prüfen ist. Das Ziel ist, die Staatenlosigkeit zu vermeiden. Das Ziel ist nicht, das Grundgesetz für jeglichen Verlustgrund zu öffnen, solange nur diese letzte Grenze nicht erreicht ist. Nach dem Motto: Der Staat, der nicht schnell genug reagiert auf böses Verhalten und der übrig bleibt, mit seinem unerwünschten Staatsangehörigen, hat verloren.

Die markige Forderung wäre also erfüllbar – unter zwei Voraussetzungen: Eine Behörde oder ein Gericht müsste den Kämpfer klar und rechtssicher der Terrororganisation zuordnen können – was bei einer heterogenen Gruppe ohne Mitgliedschaftsausweis nicht einfach sein dürfte. Vor allem aber: Deutschland müsste den Islamischen Staat als Staat anerkennen. Und das fehlte noch.

Nur: Für all das ist in den Nachrichten kein Platz. Die Forderung wird uns also erhalten bleiben.