Außenpolitik, Berlin, Brüssel
J. Fischer bei seiner Buchvorstellung (c) Stefan Maas / Deutschlandradio Hauptstadtstudio
J. Fischer bei seiner Buchvorstellung (c) Stefan Maas / Deutschlandradio Hauptstadtstudio
14.10.2014

Notizen aus einer anderen Zeit

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Die Zeit als Joschka Fischer noch politisch aktiv war, liegt schon ein paar Jahre zurück. Die große Bühne schätzt er noch immer.  Auch als er sein neues Buch „Scheitert Europa?“ vorstellt.

 

Fischer thront über den Journalisten hinter einem weißen Tisch und lässt sich befragen. Zunächst vom Chef persönlich. Von Helge Malchow, Verleger bei Kiepenheuer und Witsch. Fischer nickt auf die Fragen und schnarrt seine Antworten ins Saalmikro. Neues ist leider wenig dabei.

Fischer, ehemaliger deutscher  Außenminister von 1998 bis 2005 und überzeugter Europäer, sieht die EU in der Krise, fürchtet ihr Scheitern. Bedroht von äußeren Feinden – wie einem seinen Arm nach Westen streckenden Russland – einer Wirtschafts- und Schuldenkrise, aber ebenso von inneren Feinden. Sagt:

„Es ist eigentlich eine Souveränitätskrise“

Mittendrin jene zwei Länder, die für ihn den Motor Europas bilden. Deutschland und Frankreich. Gemeinsam können Sie die EU bewegen. Doch momentan lassen sie ihn stottern. Fischers Diagnose:

Einer der Ausgangspunkte für die von Fischer beschriebene innere Krise: 2008, in der Bankenkrise wurde die gemeinsame Verantwortlichkeit der  Eurogruppe ad acta gelegt. Deutschland sperrte sich gegen eine europäische Rettungspolitik mit gemeinsamen Mitteln, mit Eurobonds, wollte nur eine abgestimmte Rettung.  Die politische und finanzielle Krisenbewältigung blieb in nationaler Verantwortung .

„Dieser nur scheinbar kleine Schritt – in Wirklichkeit war es der Bruch mit aller bisherigen deutschen Europapolitik und der Beginn der Renationalisierung der EU! – sollte bis auf den heutigen Tag sehr weitreichende Folgen haben.“

Das wiedervereinigte Deutschland, politisch mächtig und wirtschaftlich stark wird zum europäischen Hegemon und zum Problem für die EU. Die, so fürchtet der ehemalige Grünenpolitiker, drifte auseinander. Kommt es nicht zu mehr Integration, zu einer Stärkung der Institutionen, wächst Europa nicht zu den „Vereinigten Staaten von Europa“, droht das ganze Projekt zu scheitern.

Die Vereinigten Staaten von Europa. Schon lange beschäftigt sich Fischer mit diesem Konstrukt. Seine Vision von Europa hat Joschka Fischer im Jahr 2000 bei seiner „Humboldt-Rede“ vorgestellt.

Doch, so schreibt er nun, nicht die Vereinigten Staaten von Amerika könnten als Vorbild dienen – es gibt keinen europäischen Demos, keine gemeinsame Sprache, wie sollte es da einen Präsidentschaftskandidaten geben, der Hirn und Herz aller Europäer ansprechen kann, damit sie ihn wählen. Für Fischer….

„[…] scheint die Schweiz das einzige funktionierende „föderale“ Modell zu sein, dass für die europäischen Gegebenheiten als Vorbild passt.“

Von der Konföderation, dem Staatenbund, zur Föderation, dem Bundesstaat. Für Fischer wäre das die eigentliche Europäische Revolution. Damit das klappt, muss alles neu werden. Weg mit der alten, kaputten EU, gründet die neue EU!

Kann das aber mit 28 Mitgliedsstaaten gelingen? Nein:. Wer geht voraus?

Die Staats- und Regierungschefs der Eurogruppe werden zur Regierung der Eurozone. Als zweite Kammer die Eurokammer, proportional zusammengesetzt aus den entsandten Vertretern der nationalen Parlamente.

„Eine solche Kammer wäre zuständig für den engen, gleichwohl aber wesentlichen europäischen Bereich, in dem die nationalen Parlamente und ihre Vertreter nach wie vor über die Souveränität verfügen, also vor allem in Haushalts, Finanz- und Wirtschaftsfragen und in allen Fragen der Subsidiarität, d.h, der Machtverteilung zwischen den Mitgliedstaaten und der Union, und in europäischen Verfassungsfragen. „

Die Eurozone geht voraus, es folgen die übrigen Mitglieder. Gelungen wäre die Wiedergeburt der EU mit Zweikammersystem und echter Souveränitätsübertragung.

Näher an den Bürger bringt Fischer dieses Europa aber mit seinem Buch „Scheitert Europa?“ nicht. Sein Europa klingt am Ende auch wie ein Eliten-Kopf-Projekt. Fischer, der so viel Herzblut für Europa hat, erreicht das Herz der Europäer mit dieser Vision nicht. Und lässt damit ein wesentliches Problem unbeachtet am Wegesrand liegen: Europa ist vielen einfach egal. Daran scheitert auch ein Joschka Fischer.