Berlin
Berliner Regierungsviertel am Samstagnachmittag.
Berliner Regierungsviertel am Samstagnachmittag.
29.06.2015

Kalte Dusche

Von

Brüssel und Athen – das sind die zentralen Schauplätze, an denen sich an diesem Wochenende die Griechenland-Krise massiv zugespitzt hat. Als Journalist in Berlin fühlt man sich noch stärker als Beobachter in der Ferne. Und wird doch mit einigen skurrilen Eindrücken konfrontiert. Ein kurzes Stimmungsbild.

Wo ist jetzt das richtige Mikrofon geblieben? Ich bin verärgert, denn ich kann es einfach nicht finden. Dabei wäre es doch gerade jetzt so praktisch, an diesem Sonntagabend im Berliner Regierungsviertel. Draußen schippert eine Barkasse über die Spree vorbei am Reichstag. Die Sonne schickt sich an, den Untergang anzutreten. Und durch die Luft dröhnt immer wieder ein Lied aus fetten Lautsprecherboxen „An Tagen wie diesen“. Das Lied hallt mindestes ein Dutzend Mal aus der Ecke, wo die Spree eine Kurve nimmt und direkt vor dem Parlament vorbeifließt. Es sind gerade irgendwelche Soundchecks im Gang, die an diesem Abend offenbar keinen Aufschub dulden.

Natürlich ist man bei dem Lied mittlerweile ziemlich schnell im Kopf bei der CDU angelangt, die das Stück ja irgendwie seit ihrem letzten Bundestagswahlsieg quasi gekapert hat. Am Montag will die Union ihren 70. Geburtstag feiern. Ob das Lied da auch gespielt wird? Aber es wäre wohl eine andere Stimmung als noch vor zwei Jahren. So wie wohl auch der Festakt anders verlaufen dürfte als gedacht. Denn die Griechenland-Krise hat sich dramatisch zugespitzt. Und zu dieser Entwicklung passt der Titel des Hosen-Stücks natürlich eigentlich ziemlich gut.

Bundeskanzleramt am Samstagnachmittag (Foto: Johannes Kulms)

Bundeskanzleramt am Samstagnachmittag (Foto: Johannes Kulms)

Dass dieses Wochenende ein besonderes werden würde, war klar. Aber dass es eine solche Wendung nehmen würde? Es passt ins Bild, dass am Samstagnachmittag, als immer klarer wird, dass es wohl keine Verlängerung des Hilfsprogramms für Athen geben wird, der Himmel über dem Kanzleramt immer düsterer wird. Die Hausherrin Angela Merkel wird sich das ganze Wochenende über nicht öffentlich äußern. Dafür erwischt man andere Politiker am Telefon. Etwas irritierend aber auch wieder erheiternd der Versuch, bei einem Bundestagsabgeordneten eine Reaktion einzuholen. Er meldet sich am Telefon mit seinem Namen und fügt direkt hinzu „unter der Dusche“. Man ist verdutzt und denkt, sich verwählt zu haben. Dann wird klar, dass man richtig ist und bloß doch bitte in einer halben Stunde noch mal zurück rufen sollte. Machen wir gerne.

Der Schreibtisch wird im Laufe des Wochenendes immer voller, der Drucker muss zwei Mal nachgefüllt werden, so das am Ende fast ein ganzes Paket aufgebraucht ist. Oh, gar nicht gemerkt, wie schnell das alles geht. Am Sonntagnachmittag dann Meldungen über Äußerungen des Auswärtigen Amts. Nein, diesmal geht es nicht um Tunesien. Deutsche Urlauber rät den Reisenden nach Griechenland, sich mit ausreichend Bargeld zu versorgen. Es könne „zu erheblichen Wartezeiten kommen, auch zu Engpässen beispielsweise bei der Ausstattung der Automaten mit Bargeld“, so das Auswärtige Amt. Wenig später dann die Ankündigung, von Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel, dass „Europa umfassende humanitäre Hilfe“ bereitstellen würde, für den Fall einer Zahlungsunfähigkeit Athens.

Ein Schreibtisch im Zeichen der (Griechenland)-Krise (Foto: Johannes Kulms)

Ein Schreibtisch im Zeichen der (Griechenland)-Krise (Foto: Johannes Kulms)

Humanitäre Hilfe klingt anders als „Hilfsprogramm“, einem Wort mit dem man im Kopf in diesen Wochenenddienst gestartet war. Irgendwie ist dieses Wochenende anders gelaufen als geplant. Zwischendurch am Sonntagabend noch mal schnell Raus auf den Balkon. Doch trotz mehrfacher Versuche: Mit dem Mikrofon und der Aufnahme des „An Tagen wie diesen“-Songs klappt es irgendwie nicht. Dann ertönt plötzlich ein anderes Lied. Und das passt irgendwie auch. Es wird nur einmal angespielt. Der Titel: „Nur noch kurz die Welt retten“.