Berlin
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und der österreichische Bundeskanzler Werner Faymann Foto: Wolfgang Kumm/dpa
15.09.2015

Das wird man ja wohl noch sagen dürfen!

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Wohl selten zuvor hat ein Treffen zwischen den Regierungsspitzen von Deutschland und Österreich so eine Aufmerksamkeit bekommen. Doch am Ende droht das größere Land das kleinere zu übersehen…

Wenn eine deutsche Bundeskanzlerin und ein österreichischer Bundeskanzler nach einem Treffen vor die Presse treten, erregt dies nicht zwangsläufig die selbe Aufmerksamkeit, die zum Beispiel ein Treffen zwischen Frau Merkel und Herrn Obama bekommen würde – oder ein Treffen zwischen Herrn Faymann und Herrn Obama.

Doch über mangelnde Aufmerksamkeit können sich Angela Merkel und ihr österreichischer Amtskollege Werner Faymann nach ihrem Treffen am Dienstag in Berlin wahrlich nicht beklagen. Zu drängend ist die Situation der Flüchtlinge in Europa.

Es ist der erste Auftritt der Bundeskanzlerin, seitdem Deutschland am Sonntagabend wieder vorübergehende Grenzkontrollen zu Österreich eingeführt hat.

Den Vorwurf, dass sie durch die Entscheidung vom 5. September mehrere Signale ausgesendet hätte, die zu noch mehr Flüchtlingen Richtung Deutschland führen würden, weist Merkel zurück – und gibt Einblick in die Öffenlichkeitsarbeit der Bundesregierung:

 

 

Merkel: „Ich sage, dass ich der festen Überzeugung bin auch gerade nach den Vorfällen, die wir in Heidenau hatten, die ja auch noch nicht lange zurückliegen, dass es darum geht, ein bestimmtes deutsches Gesicht stellvertretend für viele Bürgerinnen und Bürger zu zeigen. Und ich will einmal daran erinnern: Die Bilder die um die Welt gingen waren nicht die von meinem Besuch in Heidenau in der Erstaufnahmeeinrichtung – da gab’s nämlich gar keine Fotografen dabei. Sondern die Bilder, die um die Welt gingen waren die Bürgerinnen und Bürger, die am Morgen nach dieser Entscheidung, die Menschen in München und anderswo am Bahnhof empfangen haben. Die ganz selbstverständlich geholfen haben, die vielen tausenden. Und da hat die Welt gesagt: Das ist aber eine schöne Geste. Und das kam aus dem Herzen der Menschen. Und ich muss ganz ehrlich sagen: Wenn wir jetzt anfangen und uns noch entschuldigen müssen dafür, dass wir in Notsituationen ein freundliches Gesicht zeigen, dann ist das nicht mein Land.“

Faymann erinnert daran, dass die Europäische Union erst vor wenigen Jahren mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wurde. Doch es sei ziemlich schwierig geworden, Menschen zu helfen, die Frieden wollten und vor dem Krieg flüchteten, sagt Faymann.

 

 

Faymann: „Weil die EU hier nicht gemeinsam ihre Kräfte mobilisiert, sondern plötzlich diese Frage, wie vereinbaren wir Menschlichkeit und Humanität mit Kontrolle und guter Organisation bei zwei – mit Schweden – bei drei Ländern geblieben ist. Drei Länder können die Frage der Humanität und das Recht auf Asyl nicht alleine stemmen!“

Dann stellt eine österreichische Journalistin eine Frage, die an Merkel gerichtet zu sein scheint sowie eine zweite Frage, die für Merkel und Faymann gilt. Merkel antwortet, wartet dann ein paar Sekunden und sagt „Jetzt haben wir noch eine deutsche Frage“. Faymann sagt also nichts.

Nun ist der deutsche Kollege dran – und stellt eine Frage an Frau Merkel – und eine Frage an Herrn Faymann.  Merkel antwortet, dass das Treffen am Abend mit den deutschen MinisterpräsidentInnen noch keine rechtlichen und finanziellen Fragen klären werde. Und vergisst dann einfach den Gast aus Wien. Dabei will der doch noch sagen, wie gefährlich die Flüchtlingskrise gerade für die EU sei…

 

 

Faymann: „Ja, ich bin schon der Meinung, dass es das Potenzial hat, die EU als Projekt zu gefährden. Weil es doch zwei Facetten hat. Die einen, die Angst haben, dass wir hier unkoordiniert vorgehen und als Politik den Überblick nicht haben. Denen zu signalisieren, wir bringen nichts zusammen, würde das europäische Projekt schwer beschädigen. Die zweite Gruppe – und manches Mal überschneiden sich auch die Gefühle – die zweite Gruppe verlangt zu Recht, dass Menschlichkeit keine Schande ist. Das Gegenteil ist eine Schande. Und dass wir Menschen in Not helfen und nicht zusehen, wie eine humanitäre Katastrophe in Europa passiert.“

Wenn das Thema nicht so ernst wäre, könnte man hinzufügen: Das wird man ja wohl noch sagen dürfen.