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Frank Capellan auf dem HSS / Foto: Bettina Straub
14.04.2016

Nach dem Koalitionsgipfel: Integrationsgesetz täuscht Handlungsfähigkeit der Regierung vor

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Ein Kommentar

im Deutschlandfunk

Fördern und Fordern – jetzt also amtlich. Im ersten Integrationsgesetz des Bundes wird festgezurrt, wie unser Land mit seinen Flüchtlingen umgehen will. Historisch ist das, betonen heute Union und SPD. Na ja, vor allen Dingen überfällig war es. Ein Einwanderungsgesetz, das die Union stets verhindert hat, hätte viel Ärger erspart, darauf hat SPD-Chef Gabriel heute zu Recht süffisant verwiesen. Und ohne die Wahlerfolge der AfD im Nacken hätten Schwarze und Rote sicherlich noch ein bisschen weiter gestritten über Repression bei der Integration. Trotzdem steht viel Gutes drin: Die Zuweisung des Wohnsitzes etwa – Zuwanderer müssen gleichmäßig verteilt werden, sonst gibt es noch mehr Unruhe. Oder Kürzungen von Sozialleistungen, für alle, die es nicht so eng sehen mit den Integrationsangeboten. Aber auch der Anreiz, diejenigen mit einem Bleiberecht zu belohnen, die schnell Deutsch lernen und sich um eine Ausbildung kümmern. Das kann dabei helfen, dass wir keine „zwangsassimilierten ängstlichen Integrationssimulanten“ produzieren, wie es der Vizekanzler heute ausdrückte. So weit so gut, nur alles ein wenig theoretisch. Sanktionen werden angedroht für Integrationsverweigerer, ohne dass die Angebotsseite geklärt ist. Gibt es genügend Kurse? Genügend Deutschlehrer? Genügend Erzieherinnen? Genügend Arbeitsangebote? All das muss bezahlt werden, nächste Woche geht das Gefeilsche ums Geld mit den Ländern weiter. Immerhin: Ein handzahmer Seehofer hat heute versprochen, dass er diese Koalition zu einem guten Ende bringen will. Wer´s glaubt … Nein, das Integrationsgesetz täuscht eine Handlungsfähigkeit dieser Regierung vor, die es nicht mehr gibt. Bei Erbschaftssteuerreform, Werkverträgen, Rente und Elektroautos sind beide Seiten längst im Wahlkampfmodus. Alles liegengeblieben, nichts entschieden, alles vertagt! Der CSU-Chef hat den Zoff mit der SPD gesucht, um vom eigenen Ärger mit der CDU abzulenken. Jetzt muss der SPD-Vorsitzende gegenhalten, weil er eine 19,5 Prozent Umfrage und eine drohende Führungsdebatte im Nacken hat. Die Große Koalition muss Politik für die kleinen Leute machen, unterstreicht Gabriel nach der Verhandlungsnacht. Da kann er sich auf einigen Gegenwind, nicht nur aus Bayern, gefasst machen. „Wichtige Gemeinsamkeiten sind identifiziert“, formuliert die Kanzlerin in unnachahmlicher Nüchternheit. Da sind wir aber gespannt! Mit Blick auf die Integrationsvorhaben kann der Wähler sie und ihre Koalition nur fördern, mit Blick auf die vielen anderen ungelösten Fragen wird er sie fordern!

 

(ar)