Berlin, Bundespräsident, Bundesregierung, Bundestag, Innenpolitik, Medien 13.01.2015

Die Sache mit der #Mahnwache

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Eine Mahnwache für die Opfer von Paris, mit allen Spitzen der Bundesrepublik, auf Einladung unter anderem des Zentralrats der Muslime, am Brandenburger Tor, mit Vertretern aller großen Konfessionen in Deutschland. Was könnte da schon schiefgehen? Ein Bericht aus den mittleren Reihen der Mahnwache.

Es ist am Abend in Berlin, als ich das Hauptstadtstudio verlasse um zum Pariser Platz hinüberzugehen. Die Wilhelmstraße hinauf, weit ist es nicht vom Haus der Bundespressekonferenz. Die Kollegen vom ARD-Hauptstadtstudio haben ein großes „Wir sind Charlie“ auf ihrer Eingangstür angebracht. Eines dieser „Wir haben Mut“-Zeichen. Allerdings scheint man neuerdings dort klingeln zu müssen um auch nur in den Vorraum zu gelangen. Die Jungen Europäischen Föderalisten sammeln sich vor Butter Lindner, ein Polizist steht vor dem Eingang zur französischen Botschaft etwas weiter die Straße hinauf. Hinter dem Europäischen Haus beginnt der Pariser Platz, gut abgeriegelt, vor dem Brandenburger Tor. Links von mir die US-, rechts wieder die französische Botschaft. Eine Bühne, auf der das offizielle Deutschland steht, vor dem Tor. Auch auf dem Dach der DZ-Bank neben der US-Botschaft steht ebenfalls das offizielle Deutschland, die Polizei. Scharfschützen – oder zumindest Nachtsichtgeräte. Es ist bereits Dunkel, als die ersten einführenden Suren gesungen und anschließend übersetzt werden.

Ich war schon oft auf dem Pariser Platz. Und an diesem Dienstagabend werde ich im Nachhinein sehr genau auf eines achten: was die Kollegen der unterschiedlichen Medien über die Veranstaltung berichten. Die Menschen stehen nicht besonders dicht gedrängt. Vorne sind Flaggen, israelische, iranische, türkische, einige kurdische sehe ich, wie sie geschwenkt werden.

Ich lausche den qualitativ durchwachsenen Redebeiträgen der christlichen, jüdischen, muslimischen Religionsvertreter, vor allem erstere geprägt von einem starken Bezug auf die jeweils eigene Glaubensgemeinschaft. Sie alle sind mir zu laut für eine „Mahnwache“, ein Gedenken. Auch die Rede des Berliner Bürgermeisters – „ach, dit is ja jetzt ’n anderer!“ und die des Bundespräsidenten werden in einer Lautstärke auf den Platz gegeben, als ob sie mindestens bis zum Schlossplatz zu hören sein sollten. Doch eines fehlt: die Menschenmasse bis da hinten.

Ja, es sind Menschen da. Mehrere Tausend, wie das ZDF am Abend berichtet. 10.000, sagen andere Medien. Letzteres erscheint mir zu viel, ersteres richtig. Und damit erscheint es mir irgendwie auch peinlich. Nicht für die Veranstalter. Auch nicht für den Bundespräsidenten, über dessen Rede man – wie so oft – sicher unterschiedlicher Meinung sein kann. Aber für das Land, das er repräsentiert – und für all jene, die sich erst einmal im Vorhinein dem Partei-Hickhack-Leberwurst-Verhalten hingeben mussten. Auch, dass längst nicht alle muslimischen Verbände mit einluden, würde ich dazuzählen. Ich habe mich heute Abend ein bisschen dafür geschämt.

„Wir alle sind Deutschland“, sprach Bundespräsident Gauck auf der Bühne. „Aber ich will doch gar nicht Deutschland sein“, sagte jemand neben mir. Wir, die, wie auch immer – auf jeden Fall war Deutschland heute, am Pariser Platz, zwar vielleicht bunt. Aber an Zahl dann doch sehr überschaubar.