Berlin, Bundesregierung, Bundestag, Digitalpolitik, EU-Kommission, Innenpolitik, Parteien, Rechtspolitik 19.03.2015

Vorratsdatenspeicherung: SPD im Bundestag ohne Befürworter

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Die Vorratsdatenspeicherungsdebatte ist in Deutschland wieder da, und das hat einen einfachen Grund: die EU-Kommission, bekräftigte Innenkommissar Dimitris Avramopoulos am vergangenen Donnerstag noch einmal, plant keine Neuauflage der vor einem Jahr vom Europäischen Gerichtshof für nichtig erklärten Richtlinie. Doch die war der Bezugspunkt für die Aussage im Koalitionsvertrag – weshalb schwarz-rot nun vor der Frage steht: Neuauflage national – oder nicht? 

Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel sagte im Interview der Woche dazu:

Ich bin der Überzeugung, wir brauchen das, ich weiß aber, dass das hochumstritten ist. […] Jetzt ist es so, dass wir, dass die Kollegen de Maiziére und Heiko Maas gemeinsam einen solchen Vorschlag entwickeln müssen. Das wird nicht von heute auf morgen der Fall sein, dafür sind die Themen viel zu kompliziert. Und des nützt ja auch nichts, irgendwas vorzuschlagen, was dann wieder beim Verfassungsgericht oder wieder beim EuGH scheitert. Aber einfach wegzuducken und zu sagen: ‚Das ist uns zu schwierig‘ – übrigens, in Europa haben wir viele Staaten, die haben die Vorratsdatenspeicherung -, davon halte ich jetzt auch nichts. Das würde uns vielleicht manchen Ärger ersparen, aber man ist nicht in der Politik, um sich Ärger zu ersparen.

Sigmar Gabriel hat damit eine Debatte befeuert, die nun vor allem innerparteilich auszutragen ist. Auch wenn schon lange Gespräche zwischen Justizminister Heiko Maas (SPD, gegen eine Neuauflage) und Innenminister Thomas de Maizière (CDU, für eine Neuauflage) laufen, am Ende wird es am Parlament hängen – in dem nur die Union für eine Vorratsdatenspeicherung alter Art mit leichten Abstrichen ist.

Denn gestern zeichnete sich im Plenum des Bundestages bereits ab: der Vorstoß Gabriels findet wenig Freunde bei seinen Genossen. Die Netzpolitiker um Lars Klingbeil, die eh schon immer dagegen waren, bekommen nun Unterstützung selbst von Innenpolitikerinnen. Zum Beispiel von Christina Kampmann, die am liebsten nach der EuGH-Entscheidung gar nicht mehr darüber diskutiert hätte, wie sie sagte. Und auch Christian Flisek, Justizpolitiker und Obmann im NSA-Untersuchungsausschuss konnte und wollte als dritter SPD-Redner kein Loblied auf die Vorratsdatenspeicherung singen, gab sich wie Kampmann und Klingbeil skeptisch, dass diese nach den Urteilen aus Karlsruhe und Luxemburg überhaupt sinnvoll machbar ist. In der Vergangenheit gab es auch bei der SPD immer Redner, die der Vorratsdatenspeicherung grundsätzlich positiv gegenüberstanden, zum Beispiel Sebastian Edathy (Anfang 2014 ausgeschieden), Dieter Wiefelspütz (2013 nicht mehr angetreten) oder Michael Hartmann (nicht mehr als Innenpolitiker aktiv). Stattdessen überwiegt bei den Sozialdemokraten im Bundestag nun die Skepsis, „Begründungspflichtig“ seien nach den Urteilen nun die Befürworter – doch von denen war gestern im Plenum keiner zu hören.

Anders hingegen auf Landesebene: die Innenminister der Länder, die ein SPD-Parteibuch haben, sprechen sich allesamt für eine schnelle Neueinführung aus. Es dürfte also spannend werden, ob und wauf was Justizminister Maas – dessen Linie von seinen Genossen gestützt wurde – und Innenminister Thomas de Maizière sich einigen können. Klar ist: je länger diese Einigung dauert, desto wahrscheinlicher ist, dass beim nächsten SPD-Parteitag Mitte Dezember 2015 in der SPD darüber verhandelt wird, mit ungewissem Ausgang. Dort muss sich der SPD-Parteivorsitzende Sigmar Gabriel voraussichtlich eh einige unangenehme Fragen stellen lassen – zum Freihandel, aber auch zu den Umfragewerten, die – trotz aller reklamierten Erfolge in der Koalition – einfach nicht besser werden wollen. Eine zusätzliche Debatte um die Vorratsdatenspeicherung, die könnte Gabriel dort nun wirklich kaum gebrauchen. Aber noch ist ja etwas Zeit… Und vielleicht überlegt es sich Dimitris Avramopoulos ja doch noch einmal anders?