Berlin, Kommentare
Nadine Lindner / Foto: Ansgar Rossi Deutschlandradio
06.07.2016

Kommentar: Endlagerkommission Abschlussbericht

Von

Ein Kommentar

im Deutschlandfunk

Zwei Zahlen machen die ganze Dimension der Endlager-Suche deutlich: knapp 60 Jahre lange wurde die Atomenergie in Deutschland genutzt und eine Million Jahre werden die Folgen zu bedenken sein, denn so lange muss der Müll sicher verwahrt werden.

Das große Aufräumen in der deutschen Atompolitik wird fortgesetzt. Und das ist gut so. 2016 wird als eines der entscheidenden Jahre für das Ende der Atomkraft in Deutschland in Erinnerung bleiben. Denn in diesen Monaten wurden die Vorlagen für die wichtige politische Umsetzung des Atom-Ausstiegs-Beschluss von 2011 getroffen.

2016 ist deshalb so entscheidend, weil es nun in gleich zwei Kommissionen mit breiter Beteiligung und großen Mehrheiten gelungen ist, jahrzehntelange Streitthemen wenigstens in größten Teilen einvernehmlich zu lösen.

Bereits im April hatte die Kommission zur Finanzierung des Atom-Ausstiegs unter Platzeck, von Beust und Trittin einen ernsthaften Vorschlag zur Klärung der monetären Verbindlichkeiten von Staat und Atom-Wirtschaft erarbeitet.

Jetzt hat die Endlager-Kommission wichtige Entscheidungen getroffen. Da ist die Einigung auf einen Anforderungskatalog, der sich wie ein Steckbrief für einen Standort liest. Unterirdisch, in Granit, Salz oder Ton, zu suchen in ganz Deutschland. Hinzu kommt ein Vorschlag, wie das Suchverfahren politisch organisiert werden kann. Dazu zählt mit Regionalkonferenzen und sogenannten Zufallsbürgern auch ein völlig neuartiges System, um die Öffentlichkeit einzubinden.

In beiden Kommissionen, für Finanzierung und Endlager, stand am Ende ein Ergebnis, das eher von Pragmatismus denn von reiner Lehre geprägt war. Gerade bei der Endlager-Kommission gab es viele Stimmen, die zugaben: Ja, unsere Generation hat die Atomkraft genutzt, jetzt müssen wir uns auch um die Folgen kümmern.

Doch bei aller Freude über das Kompromiss-Papier darf man eins nicht vergessen: Es ist ein Papier.

Wie schwierig die Suche selbst wird, lässt sich schon jetzt absehen: es gab mehrere Sondervoten, in denen Mitglieder abweichende Meinungen darlegten. Die Länder Sachsen und Bayern versuchen sich mit Hinweis auf die mangelnde wissenschaftliche Eignung von Granit als Wirtsgestein aus der Affäre zu ziehen. Auch die Gorleben-Gegner sind enttäuscht und kündigen Widerstand an.

Im Moment ist der Bericht nur ein Vorschlag. Jetzt kann man noch sagen: Endlager? Super. Aber bloß nicht bei mir. Doch in absehbarer Zeit werden nach der ersten Prüfphase Regionen feststehen, die genauer erkundet werden. Dann ist Unmut, Angst, Misstrauen absehbar. Denn, wer will schon ein atomares Endlager als Nachbarn haben? Es ist zu wünschen, dass der Bürgerbeteiligungsprozess später hält, was er jetzt verspricht.

Für die Jüngeren unter uns bedeutet das alles, dass wir noch ein bisschen was zu tun haben. Das große Aufräumen nach dem deutschen Atom-Zeitalter hat gerade erst begonnen.

(tb)