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Interkontinentales Holzklassen-Erlebnis: Im Abgas-Untersuchungsausschuss: sind 10 Stunden auf diesen Bänken mit weniger Beinfreiheit als in Billigfliegern keine Seltenheit (c) Nadine Lindner/Deutschlandradio
Interkontinentales Holzklassen-Erlebnis: Im Abgas-Untersuchungsausschuss: sind 10 Stunden auf diesen Bänken mit weniger Beinfreiheit als in Billigfliegern keine Seltenheit (c) Nadine Lindner/Deutschlandradio
08.03.2017

Kniefeindliche Sitzmöbel – Und ein Tweet an den Architekten des Paul-Löbe-Hauses

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Der Abgas-Untersuchungs-Ausschuss ist im Endspurt. Zum Glück! Ein Werkstattbericht über die unhörbaren Tücken des Reporterlebens.

Vorwärts rutschen, aber nur ein paar Zentimeter. Mehr geht nicht. Denn dann stoßen die Knie des Kollegen schon an das Metall-Geländer der Besucher-Tribüne. Einer der Stäbe verläuft in etwa genau da, wo die Kniescheibe endet. Der Kollege verzieht das Gesicht. Er ist zwar keine zwei Meter groß, aber halt auch kein Zwerg. Wobei das in diesem Falle sicherlich praktisch wäre. Und so versucht er mit normaler Körpergröße und wachsender Verzweiflung Beine und Unterkörper schräg zu positionieren.

Ein Manöver, das bei den Nachbarn wenig Begeisterung auslöst. Hektisch halten sie Laptops, Schreibblöcke und Stifte fest, die auf Knien und Oberschenkeln balanciert werden. Die Architekten des Paul-Löbe-Hauses haben für öffentlich tagende Ausschüsse ganz besondere Sitzungssäle entworfen. Sie sind rund, mit zwei Ebenen. Unten sitzen die Abgeordneten, ihre Mitarbeiter, ihnen gegenüber die Zeugen, die aussagen müssen. Oben können Zuschauer, interessierte Bürger oder Pressevertreter Platz nehmen.

In zwei Reihen sind – ähnlich wie in einem Hörsaal – Klappsitze direkt nebeneinander. Das Problem: die zwei Reihen sind eng. Menschen über 1,70 cm Körpergröße können kaum ihre Beine unterbringen. Oben sitzt man Schulter an Schulter.

Mitschneiden ist verboten, Mitschreiben erlaubt (c) Nadine Lindner / Deutschlandradio

Mitschneiden ist verboten, Mitschreiben erlaubt (c) Nadine Lindner / Deutschlandradio

Wenn mehrere Zeugen verhört werden, kann eine Sitzung schon mal 10 Stunden oder länger dauern. In der Zeit könnte man auch nach Hongkong fliegen. Tonaufnahmen sind im Saal nicht erlaubt und so muss jedes Wort, das nachher für die Berichterstattung wichtig ist, mitgeschrieben werden. Mit Laptop, oder klassisch mit Schreibgerät auf den Knien.

Unbequem oben, gefährlich unten. Denn regelmäßig kommt es vor, dass Stifte oder Blöcke nach unten segeln. Wenn es schlecht läuft auf den Kopf der Abgeordneten. Besonders bei Platzwechseln auf den Zuschauerrängen, wenn Kollegen zu den verbliebenen freien Plätzen drängen. Ein Laptop war bislang zum Glück noch nicht dabei.

Der Abgas-Untersuchungs-Ausschuss im Endspurt. Zum Glück!

Der Kollege mit den schmerzenden Knien holt sich fürs Seelenleben nach dem Hanuta in der Mittagspause noch ein Snickers zum Abendessen. Spült es mit Kaffee runter und murmelt nebenbei noch, „das sei ja schließlich auch eine Form der abwechslungsreichen Ernährung.“

Erschöpft zieht sein Sitznachbar sein Handy aus der Tasche und tippt einen Tweet, verwünscht den Architekten der kniefeindlichen Sitzmöbel:

Seit September 2016 tagt der Abgas-Untersuchungsausschuss. Er soll untersuchen, wer wann was von den VW-Diesel-Manipulationen wusste. Und ob nach Auffliegen genug zur Aufarbeitung getan wurde. Es waren insgesamt 15 öffentlichen Sitzungen. 57 Zeugen und 13 Sachverständige wurden gehört.

Heute findet die letzte Sitzung mit Zeugenvernehmung findet statt. Es geht, das verspricht die Tagesordnung in einen anderen Raum. Neuer Sitzungssaal heißt neue Sitzmöbel und eventuell neues Glück. Die letzte Zeugin heißt Angela Merkel. Sie muss erklären, wann sie als Regierungschefin von den illegalen Manipulationen bei Volkswagen erfahren hat. Dann ist die Beweisaufnahme vorbei. Wenn ihr nicht vor Ende der Fragen ein Stift auf den Kopf fällt. Bauch, Knie und Rücken der Beobachter werden es danken.