Brüssel, Digitalpolitik, EU-Kommission
Screenshot: Suchergebnisse zu #OMGoettinger am 03.09.2014 auf Twitter.
Screenshot: Suchergebnisse zu #OMGoettinger am 03.09.2014 auf Twitter.
10.09.2014

Günther Oettinger goes Digitale Wirtschaft

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Bereits vor ein paar Tagen war in einem durchgestochenen Entwurf zu lesen, dass Günther Oettinger EU-Kommissar für Digitale Wirtschaft werden soll. Die Häme im Netz ließ nicht lang auf sich warten. Doch warum eigentlich? Bemerkungen aus Berlin dazu.

Günther Oettinger hat keinerlei digitalpolitische Erfahrung. Das lässt sich mit Fug und Recht feststellen. Als in der vergangenen Woche die Idee bereits einmal im Netz kursierte, machte sich gleich die einfachste Form der Kritik an der (damals noch vermuteten) Entscheidung Jean-Claude Junckers breit: Häme.

Unter dem Hashtag (Schlagwort) „#OMGoettinger“ („Oh Mein Gott, Oettinger)“ taten Twitternutzer ihre Meinung kund, warum sie Oettinger für eine schlechte Wahl hielten. Oder genauer gesagt: sie drückten ihre Fassungslosigkeit aus. Nur eines fehlte: eine inhaltliche Begründung. Und das hat gleich zwei Gründe.

Zum einen ist es einfach zu sagen: Oettinger ist kein Digital-Aficionado. Weshalb er in dem Gebiet auch niemals erfolgreich reüssieren kann. Nun sind die wenigsten Gesundheitsminister Ärzte oder krank, die wenigsten Verteidigungsminister haben bereits einmal im Gefecht gestanden und auch die wenigsten Sozialminister waren schon einmal Antragsteller für Hartz IV oder Sachbearbeiter für solche Anträge. Es handelt sich also um ein fundamentales Nichtverstehen der Funktion eines Ministers – was, abgesehen vom Namen, ein EU-Kommissar ist.

Zum zweiten ist es die konsequente Unterschätzung des Politikers Günther Oettinger (oft verbunden mit seinem einst nicht gerade Oxford-Englisch). Der gilt gemeinhin als detailverliebter Aktenfresser, der selten unvorbereitet in Treffen geht und der durchaus in der Lage ist, sich in Themen in einer Tiefe einzuarbeiten, die den drei deutschen Internetministern nur zu oft gefehlt hat.

Was jedoch beides natürlich nichts bedeuten muss. Aber klar ist: Entscheidend ist auf’m Platz. Und genau da steht Oettinger nun in der Digitalpolitik. Ob er dort bestehen kann, ist derzeit noch offen. Aber der Trainer Juncker hat ihn aufgestellt, ihm seine Rolle in der Mannschaft zugewiesen.

Es liegt nun an ihm, zu zeigen, dass er sich das digitale Wirtschafts-Alphabet von A wie Amazon über D wie Deep Packet Inspection, F wie Frequenzspektren, N wie Netzneutralität, Q wie Quality-of-Service und S wie Schachtelprivileg bis Z wie Zettabyte wirklich schnell draufschafft. Die Erfahrungen aus dem Energiebereich, in dem viele große Player mit enormer Marktmacht, regionalen Quasi-Monopolen und überaus speziellen Interessen agieren, sind dabei sicherlich kein Nachteil. Ob er etwas draus macht, liegt an ihm und dem Zusammenspiel im Kommissions-Kabinett. An Themen, die auch Günther Oettinger als Digitalkommissar anpacken könnte, besteht jedenfalls überhaupt kein Mangel – das Vorsingen vor dem EU-Parlament wird hier zeigen, ob er die Grundzüge bereits verstanden hat. 100 Tage hat im Übrigen auch er im neuen Ressort verdient, egal wie skeptisch man persönlich auch sein mag, dass aus Oettinger mehr wird als nur eine Betaversion eines Digitalkommissars.