Brüssel, EU-Kommission, Europaparlament
Margrethe Vestager © European Union, 2014
02.10.2014

EU-Vorsingen Runde 4: Defizite und Erinnerungsfotos

Von

Runde vier im Kommissions-Casting – Zum letzten Mal in dieser Woche stellen sich Kommissars-Kandidaten den Fragen der Abgeordneten des Europaparlaments. Während Jonathan Hill zum Nachsitzen geschickt wurde und noch einmal Vorsingen muss, hofft der Franzose Moscovici trotz Kritik darauf, in der ersten Runde zu überzeugen.

Kandidat Nr. 17: Pierre Moscovici (Frankreich)

 

Pierre Moscovici © European Union, 2014

Pierre Moscovici © European Union, 2014

Der Franzose tritt an für den Kommissionsposten: Wirtschaft, Währung und Steuern.

Unsere Bewertung

Pflichtnoten:

Politische Erfahrung 8

Konzept 7

Überzeugungskraft 7

 

Kürnoten:

Entschlossenheit 6

Bisherige Fachkompetenz 10

Audiovisuelle Kompetenz 8

 

Vor allem die EVP hatte es auf Moscovici abgesehen, hat er es doch als sozialdemokratischer, französischer Finanzminister nicht geschafft, die Defizitkriterien der EU einzuhalten. Wie wolle er es dann als Kommissar schaffen, die Länder genau dazu anzuhalten? Und wie wolle er gerade Frankreich dazu bringen?

Moscovici verteidigte seine Zeit als Finanzminister. Er habe das Defizit verringert und immer in Absprache mit der Kommission gehandelt. Außerdem betonte er sein enges Verhältnis zu Deutschland und nannte Wolfgang Schäuble seinen Freund.

 „Ich werde dafür sorgen, dass alle Mitgliedsstaaten die Haushaltsregeln einhalten. Alle Mitgliedsstaaten – ob groß oder klein – müssen nach den gleichen Regeln behandelt werden. Ich werde ein gerechter und unparteiischer Schiedsrichter sein, um sicherzustellen, dass alle – egal um wen es sich handelt – nach den gleichen Regeln spielen, damit unsere Wirtschaften sich entwickeln können.“

In seinem Programm will Moscovici der Haushaltsstabilität die höchste Priorität geben. Er wolle Juncker helfen, sein 300 Milliarden Eure teures Investitionsprogramm umzusetzen, Steuerflucht bekämpfen und die Finanzwelt transparenter und demokratischer machen.

Moscovici kennt die Tricks, mit denen Finanzminister versuchen, die Defizitkriterien der EU zu umgehen oder Sanktionen hinauszuzögern. Nun kann er als EU-Kommissar genau gegen solche Tricks vorgehen.

 

Kandidat Nr. 18: Phil Hogan (Irland)

 

Phil Hogan © European Union, 2014

Phil Hogan © European Union, 2014

Der Ire tritt an für den Kommissionsposten: Landwirtschaft und ländlicher Raum.

Unsere Bewertung

Pflichtnoten:

Politische Erfahrung 10

Konzept 7

Überzeugungskraft 8

 

Kürnoten:

Entschlossenheit 8

Bisherige Fachkompetenz 8

Audiovisuelle Kompetenz 8

 

 

Die Anhörung des Iren Phil Hogan hingegen verlief ohne große Kontroversen. Er betonte noch einmal, dass Verbraucher keine Angst vor niedrigeren Standards durch das Freihandelsabkommen TTIP haben müssten. Das weltweite Bevölkerungswachstum biete eine Chance für die europäischen Landwirte, ihre Produkte zu exportieren.

Wir verleihen Phil Hogan die goldene Kartoffel für eine ertragreiche Anhörung.

 

Kandidat Nr. 19: Kristalina Georgieva (Bulgarien)

 

Kristalina Georgiewa © European Union, 2014

Kristalina Georgiewa © European Union, 2014

Die Bulgarin tritt an für den Kommissionsposten: Budget und Vize-Präsidentin.

Unsere Bewertung

Pflichtnoten:

Politische Erfahrung 7

Konzept 8

Überzeugungskraft 10

 

Kürnoten:

Entschlossenheit 8

Bisherige Fachkompetenz 8

Audiovisuelle Kompetenz 10

 

 

Georgieva wolle den Berg unbezahlter Rechnungen angehen und die Länder an ihre Finanzzusagen erinnern. Außerdem will sie sich um eine bessere Finanzierung der EU bemühen. Gleichzeitig will Georgieva gegen die Verschwendung von Mitteln vorgehen. Für ihren Auftritt erhielt die Bulgarin von allen Seiten viel Lob. Ihr Platz in der neuen Kommission gilt als sicher.

Kristalina Georgieva erhält die Hella-von-Sinnen-Medaille für mutige Garderobe.

 

Kandidat Nr. 20: Elżbieta Bieńkowska (Polen)

 

Elżbieta Bieńkowska © European Union, 2014

Elżbieta Bieńkowska © European Union, 2014

Die Polin tritt an für den Kommissionsposten: Binnenmarkt und Industrie.

Unsere Bewertung

Pflichtnoten:

Politische Erfahrung 5

Konzept 8

Überzeugungskraft 9

 

Kürnoten:

Entschlossenheit 8

Bisherige Fachkompetenz 5

Audiovisuelle Kompetenz 8

 

 

Bieńkowska soll die beiden bisher getrennten Ressorts Binnenmarkt und Industrie zusammenführen. Ihre Ziele: In die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie investieren, Kleine und mittlere Unternehmen stärken und den Binnenmarkt nach außen hin schützen und ausbauen. Sie wolle sich auf Bereiche mit dem größten Wachstumspotential konzentrieren. Beispielsweise sehe sie die Hürden für einen Dienstleistungsmarkt auf europäischer Ebene.

Bieńkowska überzeugte nicht nur mit ihrem Auftritt, sondern auch mit ihrem Detailwissen. Und mit ihrem Bekenntnis, beim Verbraucherschutz resistent gegen die Industrie-Lobby zu sein.

Wir prämieren Elżbieta Bieńkowska mit dem goldenen Lebenslauf am Bande ausgezeichnet für den ungewöhnlichsten Karriereverlauf (Studium der Persischen Philologie!).

 

Kandidat Nr. 21: Margrethe Vestager (Dänemark)

 

Margrethe Vestager © European Union, 2014

Margrethe Vestager © European Union, 2014

Die Dänin tritt an für den Kommissionsposten: Wettbewerb.

Unsere Bewertung

Pflichtnoten:

Politische Erfahrung 9

Konzept 8

Überzeugungskraft 9

 

Kürnoten:

Entschlossenheit 8

Bisherige Fachkompetenz 5

Audiovisuelle Kompetenz 10

 

 

 

Die Dänin war vor 25 Jahren schon einmal im Europaparlament – damals allerdings als Assistentin. So radikal Links, wie der Name ihrer dänischen Partei es erwarten lässt, sei Vestager gar nicht, beruhigt sie – politisch eher sozialliberal. Humor ist ihr alles andere als fremd, was wir deutlich begrüßen! Vestager schien sich so auf die Anhörung gefreut zu haben, dass sie zu Beginn erstmal ein Foto der Pressemeute schoss.

Vestager konnte mit einer enthusiastischen Eröffnungsrede überzeugen. Besonders den Energiemarkt sieht sie von Wettbewerbsverzerrungen betroffen. Unter anderem das Problem der Steuervermeidung wolle sie angehen. Außerdem müssten Strafen für Preisabsprachen so hoch sein, dass sie mindestens die erzielten Gewinne überstiegen.

Margrethe Vestager erhält den Egon-Olsen-Orden für ihr Vorhaben, auch multinationalen Konzernen mächtig gewaltig die Grenzen aufzuzeigen.

 

Das Voting

Unser Voting orientiert sich an einem seit vielen Jahren international anerkannten System: dem Bewertungssystem für Eistanz und Eiskunstlauf. Dabei können für jede Wertung zwischen 1 und 10 Punkte vergeben werden.

Im Pflichtteil werden Noten vergeben für die politische Erfahrung, das Konzept (also welche Vorhaben der Kandidat in seinem Ressort hat) und seine Überzeugungskraft.

Die Kür besteht aus der Entschlossenheit (sich auch an schwierige Themen zu wagen), der bisherigen Fachkompetenz und der audiovisuellen Kompetenz (die vor allem für uns Journalisten von großer Bedeutung ist).

 

Folge des Vorsingens verpasst?

Was bislang geschah:

Tag 3: “Ich bin nicht hier als Vertreter der City of London”

Tag 2: Grenzzäune für Migranten und große Gesten

Tag 1: Süße Kinder und unbekannte Mails