Berlin, Parteien, Wahlen und Wahlkampf 17.02.2015

Die FDP darf wieder feiern

Von

Die FDP mag Siegertypen. Aber mag sie nach dem jüngsten Erfolgserlebnis von Hamburg auch wieder sich selbst? Beobachtungen aus der FDP-Parteizentrale von Johannes Kulms.

Tobias Bergmann ist wieder ins Thomas-Dehler-Haus gekommen. Dabei sind seine Erinnerungen an seine letzten vier Besuche alles andere als positiv: Vier Mal fieberte er bei den Wahlabenden den Hochrechnungen entgegen. Und vier Mal hieß es am Ende für die FDP: Nichts da mit dem Einzug ins Parlament. Stattdessen Außerparlamentarische Opposition. Wie sich das anfühlt?

„Also, man wollte nicht groß trauern, nicht groß weinen. Aber wenn dann das Ergebnis kam, dann sind schon bei manchen die Emotionen etwas hochgekommen, auch wenn man sich vorgenommen hat, nicht zu trauern. Viele haben dann trotzdem etwas getrauert. Keine gute Stimmung auf jeden Fall. Aber es ist immer gut, ein paar Freunde hier zu haben, mit denen man zusammen hier ist und die einen auch trösten können, wenn es nicht so gut läuft.“

 

Tobias Bergmann ist 16 Jahre alt und Schüler. Seit zwei Jahren ist er FDP-Mitglied. Er trägt an diesem Abend in der Parteizentrale einen Anzug und steht mitten im Gedränge.

„Endlich mal wieder feiern, endlich mal wieder Party machen können“

Gedränge – das kann man ruhig so sagen. Bei den letzten Landstagswahlen in Brandenburg und Thüringen hätten sich hier gerade mal 15 oder 20 Menschen versammelt, sagt Bergmann. Heute könnten es mehr als 100 Leute sein. Wobei darunter etliche Journalisten sein dürften die sich eine Frage stellen: Wieder so ein Volldesaster für jene Partei, die bis 2013 noch im Bund mitregiert? Oder doch ein Wunder, eine Trendwende?
Auch Schüler Tobias Bergmann hofft, dass er heute Abend für sich eine Premiere erlebt:

„Das erste Mal, dass ich hoffe, dass die Wahlparty auch mal ihren Namen verdient hat. Und das wir wirklich mal ein bisschen feiern können und mal ein bisschen Party machen können. Na ja, die Ergebnisse schwirren schon ein bisschen hier rum. Und es sieht ganz gut aus. Also… auf jeden Fall optimistisch.“

 

Dann, um kurz nach 18 Uhr gibt es im Fernsehen die erste Prognosen. Dass die CDU in Hamburg derart abschmiert, kommentieren viele mit Häme. Anders, als die ersten Zahlen für die FDP kommen:

 

 

Tatsächlich: Nach mehr als anderthalb Jahren scheint die FDP erstmals wieder die Fünf-Prozent-Hürde zu überspringen – und in ein Landesparlament einzuziehen.

Schon wenige Minuten später sucht FDP-Parteichef Christian Lindner den Weg in die Öffentlichkeit. Gleich mit einer ganzen Truppe von Liberalen steigt Lindner auf das Podium. Exakt dort hatte sich vor fast anderthalb Jahren auch jene FDP-Spitze zu einem kleinem Häuflein Elend versammelt, die gerade erfahren hatte, dass ihre Partei nicht länger dem Deutschen Bundestag angehören würde.
Doch obwohl es heute wahrlich ganz anders zugeht, gibt sich Parteichef Lindner bescheiden:

„Liebe Freunde, die Freude und die Erleichterung sind groß. Aber wir bleiben auf dem Teppich. (Applaus) Wir sind Katja Suding für ihre großartige Arbeit dankbar. Vor allem aber sind wir heute aber dankbar den Hamburgerinnen und Hamburgern, die der Partei der Freiheit eine neue Chance gegeben haben.“

 

Das Hamburger Wahlergebnis habe für die FDP eine besondere Bedeutung, betont Lindner:

„Wir haben im vergangenen Jahr uns mit unserer Tradition beschäftigt. Wir haben aufgearbeitet, was es an Stärken und was es an Fehlern gegegeben hat. Wir haben uns selbst befreit und Opportunismus und Ängstlichkeit. Und sind mit dem Aufschlagen des Drei-Königs-Treffens als erneuerte Freie Demokraten rausgegangen. Wir haben unsere klassisch liberalen Werte wieder neu betont: Die Liebe zur Freiheit, die Offenheit zum Fortschritt, unser Einsatz für faire Chancen. Jetzt in Hamburg, als wir zum ersten Mal mit diesem erneuerten Angebot, das Katja Suding so hervorragend in Hamburg auch präsentiert. Zum ersten Mal sind wir als erneuerte FDP vor die Wählerinnen und Wähler getreten.“

 

Die FDP sei bei ihrem Weg der Erneuerung noch nicht am Ziel. Aber die Richtung stimme, ist sich Lindner mit Blick auf das Hamburger Wahlergebnis sicher.

„Das Rebranding klappt“

Auch Max Koziolek freut sich über das Hamburger Wahlergebnis. „Es ist eine große Erleichterung, dass das Rebranding klappt und dass die Freien Demokraten wieder auf Kurs sind.“
„Rebranding“ – dieses Wort benutzt Koziolek gleich mehrfach an diesem Abend. Auch er hat bereits viele Wahlschlappen in der FDP-Parteizentrale miterlebt, bei den Bundestagswahlen ist er selber gar als Kandidat angetreten.

In den letzten Tagen und Wochen war in vielen Medien zu lesen: Sollte der FDP der Einzug in die Hamburger Bürgerschaft gelingen, dann habe das weniger mit Inhalten, sondern vor allem mit der Spitzenkandidatin Katja Suding und einer gelungen PR-Kampagne zu tun. Stimmt Max Koziolek dieser Schlussfolgerung zu?

„Teilweise. Weil ich glaube, die Inhalte stimmen bei der FDP schon immer. Die freiheitlichen Themen bewegen die Menschen, das sieht man gerade in diesen Zeiten. Aber es war eben viel Image und falsche Kommunikation die die FDP hat so schlecht dastehen lassen, die den Hass förmlich erzeugt hat. Das war jetzt anders. Das war mit so einer sympathischen Spitzenkandidatin anders. Und Katja ist auch ohne Beine ganz sympathisch. Insofern glaube ich nicht, dass es an den Beinen gelegen hat. Sondern einfach an der Kandidatin.“

 

 

„Die alte FDP ist aus den Köpfen raus“

Auch für Maren Jasper Winter, Vorsitzende der FDP in Berlin-Mitte hängt der Erfolg in Hamburg mit Katja Suding zusammen. Andererseits sei die Kampagne einfach gut gewesen, findet Jasper Winter.

„Ich hoffe, dass es eine Trendwende ist und ich denke auch, dass die Chancen dafür gut sind. Weil die alte FDP aus den Köpfen glaube ich erst mal raus ist.“

 

Zu den „alten Köpfen“ der FDP dürfte ohne Zweifel auch Dirk Niebel gehören. Der ehemalige Bundesentwicklungsminister ist an diesem Abend ebenfalls in die FDP-Parteizentrale gekommen. Er scheint den Erfolg zu genießen. Doch Interviews will er heute Abend nicht geben.

Anders Nicola Beer. Die FDP-Generalsekretärin spricht ebenfalls von der Erleichterung, der intensiven Aufbauarbeit, die die Partei hinter sich habe. Und sie spannt an diesem Abend den Bogen von Hamburg nach ganz Deutschland.

„Wir haben uns als Partei gesammelt, hinter den Inhalten, für Bildung, für faire Chancen, für Gründergeist. Für mehr Aufbruch in Deutschland, für das Vorankommen von jedem Einzelnen. Und das spürt man jetzt auch: Wir sind wieder mutig, zuversichtlich und wollen Deutschland insgesamt auch die Zuversicht in jede einzelne Bürgerin und Bürger zurückgeben und den Menschen stark machen, damit sie selber vorankommen, teilhaben können, etwas unternehmen.“

 

Fotoshootings als neues Erfolgsrezept?

Wiederbelebung alter FDP-Versprechen wie z.B. Bürgerrechte? Oder doch eher Rückkehr der Spaßpartei? Diese Frage drängte sich vor wenigen Tagen auch beim Aufschlagen der „Gala“ auf: Nicola Beer hatte sich für das Magazin zusammen mit Katja Suding und der Bremer FDP-Spitzenkandidatin Lencke Steiner in einem Foto-Shooting ablichten lassen unter dem Motto „Drei Engel für Lindner“. Eine Aktion, die ebenfalls zum Hamburger Wahlerfolg beigetragen habe und Modell für weitere Landtagswahlen werden könnte, glaubt Beer:

„Es war die Möglichkeit, Inhalte über ein mehrseitiges Interview zu präsentieren. Und auch mit Bürgerinnen und Bürgern ins Gespräch zu kommen, die eben nicht die Zeit oder den Feuilleton-Teil der FAZ lesen. Wir wollen mit allen Bürgerinnen und Bürgern reden, wir wollen alle überzeugen. Und das hat auch dazu beigetragen.“

 

Fotoshootings für Landtagswahlen – ein Modell auch für Parteichef Christian Lindner?

„Nein.“ – „Sondern?“ – „Wir setzen ganz klar auf Inhalte. Auf `ne Positionierung in der Sache, die ja beim Dreikönigstreffen auch deutlich geworden ist. Und seitdem sind ja die Umfragewerte der FDP insgesamt ja stark angezogen. Der ja klein gemacht wird, abkassiert wird, bürokratisiert wird, der in Schablonen gepresst wird. Und das wollen wir nicht. Da stellen wir uns dagegen. Und dieses freiheitliche Lebensgefühl, das natürlich auch Ausdruck finden muss in einer Werbekampagne im Wahlkampf, das war vor allem im Programm zu finden, das hat hier einen Ausschlag gegeben, ganz sicher.“

 

Mancher fühlt sich gar an die FDP von 1968 erinnert

Christian Lindner ist an diesem Abend erleichtert. Für ihn ist der Einzug in die Hamburger Bürgerschaft das erste zählbare Ergebnis seitdem er vor 1,5 Jahren Bundesvorsitzender der FDP geworden ist.

„ Aber ich weiß, dass ab morgen viel Arbeit auf uns wartet. Bei nächsten Wahlen, bei der Arbeit am Profil, an der Substanz der FDP. Also, insofern, ja, ich freue mich natürlich, ich bin erleichtert, aber ich sehe schon wieder die nächsten Aufgaben.“

 

Auch Manfred Eisenbach – seit mehr als vier Jahrzehnten FDP-Mitglied sieht die FDP nun auf einem erfolgreichen wenn auch noch anstrengendem Kurs:

„Weil wir ja von einem tiefen Niveau ausgingen das selbstverschuldet war. Und wir mussten sehr viele unserer Mitglieder mitnehmen, überzeugen. Es hat eine fantastische Analyse-Arbeit stattgefunden. Und wir haben uns auf das wieder besonnen, was wir sind: Nämlich freie Demokraten. Ich bin 1968 in die FDP eingetreten als freier Demokrat. Und ich bin froh, dass ich wieder dort gelandet bin, wo ich 1968 eingetreten bin. Unter den Anschauungen von Werner Mayhofer, Dahrendorf, und dem jung gewählten Parteivorsitzenden Walter Scheel. Also, ich bin sehr zufrieden. Wir haben die Dürre-Ebene hinter uns gelassen. Und wir sind jetzt am Beginn eines steilen, langen Aufstiegs, der noch viel Mühe bedeutet. Und wir müssen auf dem Teppich bleiben.“

 

Wie lang und wie schwer letztendlich dieser Weg sein werden, ist noch nicht absehbar. Klar ist nur, dass die FDP im Mai erneut um den Einzug in die Bremer Bürgerschaft kämpfen müssen wird. Dann wird sich zeigen, ob die gute Laune dieses Abends anhalten wird – oder ob es mit der Aufbruchstimmung wieder vorbei ist.

Kommentare zu diesem Beitrag (1)

  1. Hermann Riedl | 14. März 2015, 20:08 Uhr

    FDP - ist überflüssig

    Liberalität bei der FDP war einmal. Seit „Generation Doof“ in die Institutionen kam, hat man verlernt was liberal ist. Und zu Liberalität gehört zwangsläufig Verantwortung. Wo ist das zu merken?
    Also: Die FDP hat ihre Grundlagen über Bord geworfen und ist deshalb überflüssig geworden!