Berlin, Brüssel, Bundesverfassungsgericht, Innenpolitik
Bei einem Besuch von Bundesinnenminister Thomas de Maiziere im sicheren Herkunftsland Albanien wird das Gebäude, in dem er sich mit seinem albanischen Amtskollegen trifft gut bewacht. (Foto: Katharina Hamberger)
09.03.2016

Sicher ist sicher? Über Herkunftsstaaten und Drittländer

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Sicherer Drittstaat, sicherer Herkunftsstaat…  bei diesen Bezeichnungen geht im Moment in Medien und Politik einiges durcheinander. Frei nach Motto: Sicher ist schließlich sicher, oder? Beide Begriffe haben ihren Ursprung zwar im Asylrecht, aber es sollte hier sehr wohl unterschieden werden. Vereinfacht geht es bei dem einen um den Weg, den ein Flüchtling zurückgelegt hat und bei dem anderen um die Herkunft.

Der sichere Drittstaat

Hierbei geht es vor allem darum, welchen Weg ein Mensch auf seiner Flucht zurückgelegt hat.

Als sicheres Drittland gelten die Länder, in denen die Anwendung des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten sichergestellt ist, also solche, von denen ausgegangen wird, dass ein Flüchtling dort Schutz nach der Genfer Flüchtlingskonvention erhalten kann. Kommt jemand aus einem solchen Staat  – der also nicht die Heimat des Flüchtlings ist – nach Deutschland kann er sich laut §26a AslyG nicht auf das Grundrecht auf Asyl nach Art. 16a Abs. 1 GG berufen, er kann sogar direkt an der Grenze zurückgewiesen werden. Das ist die Umsetzung der sogenannten europäischen Dublin-III-Verordnung, nach der jeder Flüchtling in dem Land Asyl beantragen muss, über das er in die EU kommt. Davon hat vor allem Deutschland, das außer Nord- und Ostsee keine direkt zugängliche Außengrenze hat, in den vergangenen Jahren profitiert.

Es gibt hier jedoch Ausnahmen für diese Regelungen (§ 18 Abs. 4 AsylG):

  1. Jemand hat bei der Einreise einen Aufenthaltstitel für Deutschland, also die Erlaubnis hier zu bleiben.
  2. Deutschland ist auf Grund von europäischen Rechtsvorschriften oder einem Abkommen mit einem sicheren Drittland für das Asylverfahren zuständig.
  3. Das Bundesinnenministerium ordnet das an – aus humanitären oder völkerrechtlichen Gründen oder wenn es um die Wahrung politischer Interessen Deutschlands geht.

Ein Beispiel für eine solche Ausnahme: Flüchtlinge, die aus Griechenland kommen, werden schon seit 2011 auf eine Weisung des Bundesinnenministeriums hin nicht mehr dorthin zurückgeschickt, weil dort die Bedingungen so schlecht sind. Hier kam das sogenannte Selbsteinrittsrecht nach Art. 17 der Dublin III-Verordnung zur Anwendung. Dies besagt, dass ein Land nach eigenem Ermessen das Asylverfahren selbst durchführen kann, auch wenn der Asylbewerber über ein anderes Land in die EU gekommen ist. Angestoßen wurde diese Griechenland-Ausnahme im Rahmen einer Verhandlung vor dem Bundesverfassungsgericht 2010. Auch bei den Flüchtlingen aus Syrien, die im September 2015 aus Ungarn kamen, hat Deutschland vom Selbsteintrittsrecht Gebrauch gemacht.

Um ein Land zu einem sicheren Drittstaat zu erklären, das nicht Mitglied der Europäischen Union ist, müssen Bundestag und Bundesrat zustimmen.

Zu den sicheren Drittstaaten gehören im Moment alle Länder der europäischen Union, Norwegen und die Schweiz.

 

Der sichere Herkunftsstaat

Hierbei geht es darum, woher ein Flüchtling stammt, wo also seine Heimat ist.

Als sicher gilt ein Herkunftsland dann, wenn dort „auf Grund der Rechtslage, der Rechtsanwendung und der allgemeinen politischen Verhältnisse gewährleistet erscheint, das dort weder politische Verfolgung noch unmenschliche oder erniedrigende Bestrafung oder Behandlung stattfindet“ (Art. 16a GG Abs. 3). Man geht also davon aus, dass jemand, der aus einem sicheren Herkunftsland kommt, keinen Asylgrund hat. Im Gegensatz zu jemandem, der aus einem sicheren Drittstaat kommt, kann jemand aus einem sicheren Herkunftsland nicht an der Grenze zurückgewiesen werden, sondern darf einen Asylantrag stellen. Die Hürde ist allerdings hoch, tatsächlich Asyl zu bekommen. Der Antragsteller muss erklären, warum er in seiner Heimat politisch verfolgt wird. Bei den meisten Ländern, die mittlerweile als sichere Herkunftsstaaten gelten, lag die Asyl-Anerkennungsquote bei nur rund einem Prozent, bevor sie als sicher erklärt wurden. Wer nicht asylberechtigt ist, muss in sein Herkunftsland zurückkehren. Allerdings müssen die Staaten die Betroffenen auch zurücknehmen.

Ein Land zu einem sicheren Herkunftsstaat zu erklären ist meist auch Symbolpolitik. Die Einstufung soll ein Zeichen in die jeweiligen Länder zu senden, dass es sich, wenn man nicht nachweislich politisch verfolgt wird, nicht lohnt, in Deutschland einen Asylantrag zu stellen. Die praktische Auswirkung in Deutschland ist vor allem, dass die Asylanträge von denjenigen aus sicheren Herkunftsstaaten schneller bearbeitet werden können. Die Bundesregierung hat außerdem beschlossen, dass Asylbewerber aus diesen Staaten in speziellen Aufnahmezentren untergebracht werden sollen (zwei davon gibt es schon, eines in Manching bei Ingolstadt und eines in Bamberg), in denen ihre Anträge direkt bearbeitet werden, ohne dass die Antragsteller auf die Kommunen verteilt werden. Sie sollen von den Zentren aus, wenn sie kein Asyl bekommen, direkt abgeschoben werden.

 

Um ein Land zu einem sicheren Herkunftsstaat zu erklären braucht es die Zustimmung von Bundestag und Bundesrat. Im Moment zählen folgende Länder dazu:

Die Länder der Europäischen Union, Albanien, Bosnien und Herzegowina, Ghana, Kosovo, Mazedonien, Montenegro, Senegal, Serbien.

Derzeit wird über die Einstufung Marokkos, Algeriens und Tunesiens diskutiert. Eine entsprechende Kabinettsvorlage für die Bundesregierung, über die später Bundestag und Bundesrat beraten könnten, liegt derzeit noch nicht vor.