Brüssel, EU-Kommission, Europäischer Rat
© European Union 2016
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23.02.2017

Der Anti-EU-Botschafter

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Ted R. Malloch gilt als aussichtsreichster Kandidat für den Posten des neuen US-Botschafters bei der EU. Dabei hat sich Malloch als ausgemachter EU-Gegner positioniert. Viele Freunde hat er sich Brüssel damit nicht gemacht.

Noch haben die USA keinen Brief nach Brüssel geschickt, in dem sie um die Akkreditierung von „Ted“ Theodore Roosevelt Malloch als neuen US-Botschafter bei der EU bitten. Malloch gilt aber als Trumps Wunschkandidat und wäre ein Ausrufezeichen in Richtung EU. Der 64-jährige Brexit-Unterstützer und Trump-Vertraute ist zur Zeit „Professor für strategische Führung und Regierung“ an der Henley Business School, die zur englischen University of Reading gehört. In einem BBC-Interview hatte er bezogen auf die EU erklärt:

„In einer vorherigen Karriere hatte ich einen diplomatischen Posten inne, bei dem ich geholfen habe, die Sowjetunion zu Fall zu bringen. Vielleicht ist da ja eine weitere Union, die etwas gezähmt werden muss.“

Der Euro könne seiner Ansicht nach in einem oder eineinhalb Jahren zusammenbrechen. Außerdem äußerte er sich über Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und empfahl ihm:

„Herr Juncker war ein sehr geeigneter Bürgermeister irgendeiner Stadt in Luxemburg und vielleicht sollte er zurückgehen und sich wieder damit beschäftigen.“

 

Scharfe Töne aus Parlament und Kommission

Harter Tobak und vor allem kein Zeichen für eine gute diplomatische Zusammenarbeit zwischen den USA und der EU. Denn die Reaktion aus Brüssel, die Malloch provoziert hatte, ließ nicht lange auf sich warten.

Manfred Weber, Fraktionschef der konservativen Europäischen Volkspartei und Guy Verhofstadt, sein liberaler Kollege, baten Ratspräsident Donald Tusk und Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, Malloch nicht zu akkreditieren, sollten die USA ihn als Botschafter vorschlagen. Mallochs Äußerungen hätten das Potential, die transatlantischen Beziehungen ernsthaft zu untergraben. Personen, deren Ziel die Zerschlagung und Auflösung der EU sei, sollten nicht als offizielle Vertreter bei der EU akkreditiert werden, so Weber und Verhofstadt in ihrem Brief.

 

Gianni Pitella, Fraktionschef der Sozialdemokraten, fordert in einem Brief an Ratspräsident Tusk, Malloch in der EU zur „persona non grata“ zur erklären. Auch der deutsche Sozialdemokrat Jo Leinen forderte in einer Presseerklärung, Malloch die Akkreditierung zu verweigern und kritisierte:

„Wir brauchen in Brüssel keinen Quertreiber, der vom Ende des Euro träumt und die EU wie die frühere Sowjetunion zähmen und niederringen will.“

Im Interview der Woche des Deutschlandfunks äußerte sich auch Kommissionspräsident Juncker selbst :

„Das gehört sich nicht, dass vermeintliche zukünftige amerikanische Botschafter, die bei der Europäischen Kommission und bei der Europäischen Union akkreditiert werden, sich über Verhältnisse äußern, von denen klar erkennbar ist, dass sie sie nicht kennen. Und manchmal ist es gut für zukünftige Diplomaten, dass sie, bevor sie reden, sich mit dem Thema, über das sie reden, intimer bekannt machen.“

…und fügte auf die Frage, ob schon einmal eine Akkreditierung abgelehnt wurde, hinzu:

„Ich habe keine Kenntnis davon, dass das vorgekommen wäre. Aber ich schließe das für die allernächste Zukunft nicht aus.“

 

 

Malloch stichelt weiter

Ted Malloch konnte die Kritik aus Brüssel scheinbar nicht auf sich sitzen lassen. In einem Interview mit der BBC legte er nach und sprach von „baby talk and political correctness“ der EU-Eliten wie Angela Merkel, Jean-Claude Juncker und Guy Verhofstadt. Ob die EU es möge oder nicht, Trump werde nur auf bilateraler Ebene mit Ländern verhandeln, so Malloch.

Im Interview mit Bloomberg sprach er – bezogen auf den Brief von Weber und Verhofstadt – von einer falschen Darstellung seiner Person. Am Ende seien es die Amerikaner, die ihren Botschafter auswählten. (Dass das nicht ganz der vollen Wahrheit entspricht, dazu mehr im letzten Absatz).

FT stichelt zurück

Die Financial Times, die eher zum Brexit-kritischen EU-Lager zu zählen ist, hat sich währenddessen Mallochs Autobiographie angesehen und einige der darin enthaltenen Behauptungen nachgeprüft. Wie sich zeigt, scheint Malloch ein ähnlich lockeres Verhältnis zu Fakten zu haben, wie Donald Trump.

So habe Malloch angegeben, eine TV-Dokumentation von ihm sei für einen Emmy nominiert gewesen. Die zuständige Television Academy hat laut FT-Bericht allerdings keinerlei Aufzeichnungen darüber.

Margaret Thatcher habe Malloch angeblich zu Beginn einer Rede im Jahr 1992 als „Genie“ und „globalen Sherpa“ bezeichnet. In dem entsprechenden Video ist davon jedoch nichts zu hören.

Malloch gebe in seinem Buch außerdem an, von Queen Elisabeth II. persönlich zum Ritter des Sovereign Order of St. John geschlagen worden zu sein. In Wirklichkeit habe er im Jahr 2005 die Medal of St. John erhalten, eine deutlich niedrigere Auszeichnung als ein Ritterschlag, die laut FT auch nicht von der Queen persönlich verliehen werde. Die Liste der Ungenauigkeiten in Mallochs Biographie lässt sich laut FT noch fortführen.

Außerdem hatte sich die University of Oxford zu Wort gemeldet und erklärt, Malloch sei – anders als dieser selbst angibt – kein Senior Fellow des Wolfson College und „fellow and director“ einer internationalen Summer School am Pembroke College gewesen. Auch dementierten die New York Times, die Washington Post und The Economist, dass Malloch für sie geschrieben habe. Das habe Malloch laut FT jedoch in seinem Lebenslauf behauptet.

Mittlerweile hat sich daraus ein regelrechter Schlagabtausch zwischen Malloch und Financial Times-Autor Henry Mance (Update 22. Februar) entwickelt.

Der Verfahren

Ob Ted Malloch nun also – seine offizielle Nominierung durch Präsident Trump vorausgesetzt – Botschafter bei der EU werden kann, liegt nicht allein bei den US-Amerikanern selbst. Wie der Protokollarische Dienst der EU-Kommission auf seiner Webseite erklärt, müssen die EU-Kommission, der Ministerrat, der Europäische Auswärtige Dienst von Federica Mogherini und die Mitgliedsstaaten einer Ernennung alle zustimmen.

Da der entsprechende Text recht kurz gefasst ist und Fragen offen lässt (zum Beispiel ob eine Institution/ein Staat ausreicht, um eine Ernennung zu blockieren), suchten die Brüsseler Journalisten bei der Kommission (die ja auch gern als „Hüterin der Verträge“ bezeichnet wird) nach Antworten. Alexander Winterstein, Sprecher der EU-Kommission, tat sich in der Mittagspressekonferenz allerdings recht schwer, den anwesenden Journalisten ihre Fragen zum Verfahren zu beantworten. Es stehe ja alles online, das wolle er jetzt nicht wiederholen – so Wintersteins Argumentation. Dass auch festgeschriebene Regularien oft Spielraum für Interpretation lassen und eine klare Aussage eines Kommissionssprechers dem Verständnis nur zuträglich wäre, sah Herr Winterstein anders.

 

Am Ende des 13-minütigen Fragen-Marathons rang Winterstein sich dann aber doch zu einer Antwort durch und bestätigte: Sobald nur eine der beteiligten Institutionen einen Kandidaten ablehnt, kann keine Akkreditierung erteilt werden.