Brüssel, Europäischer Rat
In der Kritik für seine Medienpolitik: Der ungarische Premierminister Viktor Orbán © European Union, 2014
In der Kritik für seine Medienpolitik: Der ungarische Premierminister Viktor Orbán © European Union, 2014
16.12.2014

Nicht gleich die Atombombe zünden!

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Zwar haben sich alle EU-Mitglieder auf die Achtung grundlegender Werte wie Menschenwürde, Freiheit und Demokratie geeinigt. Hin und wieder laufen Staaten aber Gefahr, diese Werte zu missachten. So, wie dieser Tage Ungarn. Im heute veröffentlichten Bericht des EU-Menschenrechtskommissars Nils Muižnieks wirft dieser der Regierung Orbán vor, die Medienfreiheit einzuschränken. Außerdem kritisiert er den Umgang mit Flüchtlingen. Bisher kann die EU in solchen Fällen nur die „Atombombe zünden“. Das soll sich nun ändern.

In Artikel 2 des EU-Vertrages ist festgehalten:

Die Werte, auf die sich die Union gründet, sind die Achtung der Menschenwürde, Freiheit, Demokratie, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit und die Wahrung der Menschenrechte einschließlich der Rechte der Personen, die Minderheiten angehören. Diese Werte sind allen Mitgliedstaaten in einer Gesellschaft gemeinsam, die sich durch Pluralismus, Nichtdiskriminierung, Toleranz, Gerechtigkeit, Solidarität und die Gleichheit von Frauen und Männern auszeichnet.

Drastische Mittel

Verstößt ein Mitgliedsstaat gegen diese Grundsätze, hat die EU mit Artikel 7 ein machtvolles Instrument, um Staaten in die Schranken zu weisen. In Brüssel spricht man auch von der „Atombombe“. Im Rat können sich die Staaten darauf einigen, einem Mitglied Rechte zu entziehen, zum Beispiel sein Stimmrecht. So ein Verfahren war zum Beispiel im vergangenen Jahr Ungarn und Rumänien angedroht worden, weil sie die Rechte ihrer nationalen Justiz beschnitten hatten. Artikel 7  ist bisher aber das einzige und sehr drastische Mittel, eine Differenzierung nach unten gibt es nicht.

Zwischenstufe: Dialog

Nun hat sich der Rat darauf geeinigt, eine Zwischenstufe einzuführen. Daran war seit Anfang 2013 gearbeitet worden. In Zukunft sollen sich die 28 Mitgliedsstaaten einmal im Jahr mit der Rechtsstaatlichkeit in den 28 EU-Ländern befassen. Bei Bedarf kann das Thema auch unabhängig davon auf die Tagesordnung gesetzt werden. Im Dialog sollen so die betroffenen Mitgliedsstaaten zur Einsicht gebracht werden. Ende 2016 will der Rat dann evaluieren, wie gut oder schlecht dieses neue Instrument funktioniert.

Pranger statt Atombombe

Wie sinnvoll so ein Dialog am Ende wirklich ist, muss sich erst zeigen. Natürlich könnte sich das Ganze auch als heiße Luft entpuppen, als zahnloser Tiger ohne wirklichen Einfluss. In jedem Fall kann der Rat so – auch nach außen hin – zeigen, dass er es mit den Grundsätzen der EU ernst meint und tatsächlich gewillt ist, Regierungen zurechtzuweisen. Also erstmal der Pranger, und nur wenn der nicht hilft, die „Atombombe“.