Brüssel, EU-Kommission
Um soo viel hat Belgien die EU-Steuerzahler besch***. Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager erläutert die Kommissionsentscheidung © European Union 2016
Um soo viel hat Belgien die EU-Steuerzahler besch***. Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager erläutert die Kommissionsentscheidung © European Union 2016
11.01.2016

Belgien wird fürs Besch*** belohnt

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Tut jemand etwas Illegales und fügt dabei einem Anderen Schaden zu, so wird er dafür nicht nur bestraft, sondern muss auch Schadenersatz leisten. Nun hat die EU-Kommission ein Steuersparmodell des belgischen Staates für multinationale Unternehmen für illegal erklärt. Das Kuriose: Von der Entscheidung der Brüsseler Wettbewerbshüter wird Belgien sogar noch profitieren.

Es ist das erste Mal, dass die EU-Kommission eine Steuerregel eines Mitgliedsstaates komplett für illegal erklärt. Seit knapp einem Jahr hatten die Mitarbeiter von Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager das Steuersparmodell, das unter dem Namen „Only in Belgium“ bekannt geworden war, untersucht. Nun die Entscheidung: Das Modell ist illegal, weil der belgische Staat Unternehmen damit Steuervorteile verschafft, die als illegale Beihilfen gewertet werden und damit gegen die EU-Beihilfevorschriften verstoßen. Die Kommission schätzt, dass 35 Unternehmen so etwa 700 Mio. Euro an Steuern gespart haben. Kommissarin Vestager erklärte in Brüssel:

„Belgien hat bestimmten multinationalen Unternehmen erhebliche Steuervorteile gewährt, die gegen die EU-Beihilfevorschriften verstoßen. Dadurch werden kleinere Konkurrenten, die nicht Teil einer multinationalen Unternehmensgruppe sind, im Leistungswettbewerb benachteiligt.“

Von 2005 an bis zur Einleitung des Verfahrens im Februar 2015 bot Belgien nach Kommissionsangaben bestimmten multinationalen Konzernen die Möglichkeit, ihren zu versteuernden Gewinn künstlich zu verringern – nach Berechnungen der EU-Kommission in der Regel um mehr als 50%. Es soll sogar Fälle gegeben haben, in denen der zu versteuernde Gewinn um 90% herabgesetzt wurde. Dafür wurde der tatsächliche Gewinn des multinationalen Konzerns mit einem hypothetischen Gewinn eines eigenständigen Unternehmens verglichen. Der „Mehrgewinn“ wurde dann von der Steuerbemessungsgrundlage abgezogen.

 

Illegales belgisches Steuersparmodell. Grafik © European Union 2016

Illegales belgisches Steuersparmodell. Grafik © European Union 2016

Belgien profitiert doppelt

Mit der Entscheidung der EU-Kommission darf Belgien dieses Steuerspar-Modell nun nicht mehr anbieten. Das dürfte für den belgischen Staat zu verschmerzen sein, schließlich scheint die Kreativität der Steuerbehörden unbegrenzt, wenn es darum geht, Unternehmen mit fragwürdigen Steuerspar-Konstrukten anzulocken. Man schaue nur nach Luxemburg oder in die Niederlande, die zuletzt im Fokus der Wettbewerbshüter standen.

Auch politisch dürfte die Entscheidung kaum Folgen haben. Didier Reynders, der 2005 belgischer Finanzminister war, als das illegale Steuermodell erstmals angewendet wurde, ist heute in einem anderen Ressort tätig: als belgischer Minister für Auswärtige und europäische Angelegenheiten. Und auch den damaligen Premier Guy Verhofstadt hat es in die EU verschlagen: Er sitzt als Fraktionschef der Liberalen im EU-Parlament und gibt sich nun als Aufklärer in Sachen Steuervermeidung.

Sowieso gäbe es aus belgischer Sicht auch kaum einen Grund, politische Konsequenzen zu fordern. Denn nun könnte Belgien doppelt profitieren. Zuerst, weil das Land mit seinem Steuerspar-Modell wahrscheinlich erst Unternehmen angelockt hat und so überhaupt neue Steuerzahler nach Belgien gebracht hat (denn genau das ist ja der Sinn solcher Modelle). Und nun profitiert der Staat erneut, weil er die schätzungsweise 700 Mio Euro an nicht gezahlten Steuern rückwirkend eintreiben „muss“ und diese in den eigenen Staatshaushalt fließen.

Die Geschädigten, also die Bürger der anderen EU-Länder, denen diese Steuereinnahmen mutmaßlich entgangen sind, gehen leer aus. „Bestraft“ werden kann – im politischen, wie auch im strafrechtlichen Sinn – niemand. Das sehen die EU-Verträge nicht vor. Das gilt übrigens nicht nur für diesen Fall, sondern generell, wenn EU-Staaten unrechtmäßige Subventionen gewähren.

Vorerst keine Namen

Selbst die Unternehmen, die von dem illegalen Modell profitiert haben, werden möglicherweise nicht einmal mit ihrem Ruf haften müssen. Zwar müssen sie die zu wenig gezahlten Steuern erstatten. Der Versuch, die Gemeinschaft der EU-Bürger um die zu zahlenden Steuern zu bringen, wird aber ohne Folgen bleiben. Denn die Namen der Unternehmen will die Kommission vorerst nicht veröffentlichen.

Nach Angaben der Nachrichtenagentur AFP soll es sich unter anderem um BASF, den Mineralölkonzern BP, das belgische Kommunikationsunternehmen Belgacom und den Brauereikonzern Anheuser-Busch InBev handeln. Letzterer, zu dem auch die Marken Beck’s, Corona, Hasseröder, Diebels und Franziskaner gehören, war bereits bei seiner Vorladung vor den Taxe-Untersuchungsausschuss zu Steuervergünstigungen negativ aufgefallen.