Berlin, Bundesregierung, EU-Kommission
Alexander Dobrindt, Verkehrsminister, am 25.03.2014 im BMVI (c) Deutschlandradio Hauptstadtstudio/Falk Steiner
Alexander Dobrindt, Verkehrsminister, am 25.03.2014 im BMVI (c) Deutschlandradio Hauptstadtstudio/Falk Steiner
12.08.2014

Wie steht’s um die PKW-Maut?

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Anfang Juli hat Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) sein Konzept für die PKW-Maut vorgestellt. Seit dem ist parlamentarische Sommerpause und vom Minister dazu nichts mehr zu hören. Er will nun einen Gesetzentwurf ausarbeiten, damit die PKW-Maut – so sein Plan – zum 01. Januar 2016 eingeführt werden kann. Laut Koalitionsvertrag (S. 40) müsste der Verkehrsminister diesen 2014 nicht nur vorlegen, sondern der Entwurf müsste auch vom Kabinett abgesegnet werden.

Was derzeit über die sogenannte Infrastrukturabgabe bekannt ist, vor der Wahl von der CSU auch als PKW-Maut für ausländische Autofahrer bezeichnet, schildern wir hier. Bei neuen Erkenntnissen gibt es eine Aktualisierung. 

Wer wird die PKW-Maut zahlen müssen?

Alle Autofahrer (voraussichtlich auch Motorradfahrer) aus dem In- und Ausland, die ein Fahrzeug bis 3,5 Tonnen fahren. Sie gilt auf allen Straßen, also auch auf Land- und Staatsstraßen.

 

Wie viel soll eine Vignette kosten?

Das ist unterschiedlich. Für Autofahrer, die in Deutschland KFZ-Steuer zahlen, soll es gestaffelte Tarife geben. Diese sollen abhängig sein von Umweltfreundlichkeit, Hubraum und Zulassungsjahr des Fahrzeugs. Wer es jetzt schon genau wissen will, was auf ihn zukommen könnte, kann seine Angaben in den PKW-Maut-Rechner von faz.net eingeben.

Für Autofahrer, die ihr Fahrzeug nicht in Deutschland angemeldet haben, soll es ebenfalls gestaffelte Maut-Sätze für die Jahresvignette geben. Aber nur wenn sie im Internet bestellt wird. Wer sie an der Tankstelle kauft, der muss einen Pauschalpreis von rund 103 Euro für Benziner und 112 Euro für Dieselfahrzeuge zahlen, um zu großen Aufwand zu vermeiden. Zusätzlich wird es online eine zehn-Tage-Vignette für zehn Euro und eine zwei-Monats-Vignette für 20 Euro geben.

 

Wie soll ich an eine Vignette kommen können?

Fahrer von in Deutschland zugelassenen Fahrzeugen sollen die Vignette automatisch mit dem KFZ-Steuer-Bescheid zugeschickt bekommen. Alle anderen müssen sie online bestellen oder an einer Tankstelle kaufen.

 

Werde ich durch die PKW-Maut mehr bezahlen müssen als bisher?

Wer sein Auto hier angemeldet hat, der soll – das ist eine der Bedingungen des Koalitionsvertrages – nicht mehr zahlen als bisher. Das soll durch eine Reform der KFZ-Steuer möglich werden, sagt Alexander Dobrindt:

 

 

Diejenigen, die bislang auch von der KFZ-Steuer befreit sind oder einen ermäßigten Satz zahlen, zum Beispiel Menschen mit einem Schwerbehindertenausweis oder diejenigen, die ein Elektroauto fahren, werden voraussichtlich auch keine PKW-Maut zahlen müssen.

 

Wer kontrolliert, ob auch jeder eine Vignette an seinem Auto hat?

Das ist noch eine der großen Fragen. Darüber steht in Dobrindts Konzept noch nichts. Auch eine direkte Nachfrage danach beantwortete der Verkehrsminister Anfang Juli nur so:

Wir haben jetzt schon unterschiedliche Kontrollsysteme in der LKW-Maut. Über die kann man auch bei der Infrastrukturabgabe nachdenken. Das heißt, die BAG [Bundesamt für Güterverkehr], die entsprechend kontrolliert, die Polizei, die entsprechend auch mit kontrolliert; das ist etwas, was im Verfahren dann auch detaillierter noch besprochen werden kann. Das hängt auch ein bisschen davon ab, wo man die Hauptzielpunkte der Kontrollen identifiziert: Ist dies näher bei den Kommunen oder ist dies näher bei den Raststätten? Oder an verschiedenen Stellen auf dem Verkehrsnetz? Entsprechend wird es auch unterschiedliche Kontrollmechanismen geben.

 

 

Das soll wohl heißen: Bislang gibt es noch keine konkrete Vorstellung, aber viel Gesprächsbedarf. Die Polizeigewerkschaften, sowohl die Deutsche Polizeigewerkschaft als auch die Gewerkschaft der Polizei haben schon verlauten lassen, dass sie den Einsatz von Polizisten für die Kontrolle ablehnen. Es bräuchte wohl auch einige Polizisten und Polizistinnen mehr, um tatsächlich alle Straßen überwachen zu können – und das würde wiederum einen hohen finanziellen Aufwand bedeuten. Bislang ist das Bundesamt für Güterverkehr für die LKW-Maut zuständig, der Zoll seit Juli für die KFZ-Steuer. Aber auch von letzterem kommen Signale, dass er die PKW-Maut-Kontrolle nur ungern übernehmen möchte. Man habe im Moment schon genug mit der Übernahme der KFZ-Steuer zu tun. Außerdem soll der Zoll sich auch um die Kontrolle des Mindestlohns kümmern.

 

Wieviel Geld wird die PKW-Maut bringen?

Das Bundesverkehrsministerium geht von Gesamteinnahmen von rund 4,7 Milliarden Euro jährlich aus. Davon bleiben aber voraussichtlich nur 600 Millionen Euro für die Infrastrukturfinanzierung übrig.

Denn 3,8 Milliarden Euro kommen von den Autofahrern, die ihr Auto in Deutschland angemeldet haben. Dieses Geld wird Dobrindt wohl an Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble abgeben müssen. Dem fehlt das Geld aus der KFZ-Steuer, die auf Grund der PKW-Maut gesenkt wird.

Übrig sind dann noch 860 Millionen Euro von Autofahrern aus dem Ausland. Davon müssen noch die Kosten für das System abgezogen werden. Dabei rechnet das Verkehrsministerium mit rund 260 Millionen Euro.

Damit bleiben am Ende: 600 Millionen Euro – wenn die Berechnungen so aufgehen, wie vom Verkehrsminister prognostiziert.

 

In einer Stellungnahme aus dem haus von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) zum Konzept, die laut Finanzministerium von Anfang August stammt, heißt es laut dem Nachrichtenmagazin Spiegel, man befürchte, die Systemkosten für die Maut könnten höher ausfallen als vom Verkehrsminister berechnet. Das würde im Umkehrschluss heißen: Durch die PKW-Maut kommt noch weniger herein als die 600 Millionen Euro.

 

Reicht das Geld für die Infrastrukturfinanzierung aus?

Sollten am Ende tatsächlich 600 Millionen Euro übrig bleiben, dann ist das zwar eine große Summe, aber im Vergleich zu dem, was im Verkehrsbereich gebraucht wird, nur ein kleiner Betrag – vor allem wenn Bund, Länder und Kommunen sich das Geld aufteilen. Die Länder haben bereits angemerkt, dass sie etwas abhaben wollen, schließlich soll die PKW-Maut auch auf Staats- und Landstraßen gelten.

Eine Kommission unter der Leitung des früheren Bundesverkehrsministers Kurt Bodewig (SPD) hat 2013 einen Bericht zur Infrastrukturfinanzierung erarbeitet, der von den Verkehrsministern der Länder beschlossen worden ist. Darin heißt es, für den Erhalt der Infrastruktur in Deutschland müssten von Bund, Ländern und Kommunen zusätzlich 7,2 Milliarden Euro pro Jahr aufgewendet werden.

 

Ist die PKW-Maut europarechtskonform?

Das wird sich noch herausstellen. Das Verkehrsministerium arbeitet bei der Erstellung des Gesetzentwurfes mit Mitarbeitern des EU-Verkehrskommissars Siim Kallas zusammen. Bundesverkehrsminister Dobrindt hat bei der Vorstellung seines Konzeptes zur PKW-Maut versprochen:

 

 

 

Das muss sie auch laut Koalitionsvertrag sein. Dort steht auf Seite 40 zur PKW-Maut:

Die Ausgestaltung wird EU-rechtskonform erfolgen.

 Ob Dobrindt dieses Kriterium jedoch erfüllen kann, wird von vielen bezweifelt. Von der Opposition öffentlich und von CDU und SPD unter der Hand. Sogar innerhalb der CSU soll es den ein oder anderen geben, der nicht daran glaubt, dass das Projekt PKW-Maut gelingt.

Zuspruch hat Dobrindt nun aus dem Wirtschaftsministerium bekommen. In einer Stellungnahme heißt es:

Das den Eckpunkten zu Grunde liegende Konzept der Einführung einer für alle verpflichtende Infrastrukturabgabe bei gleichzeitiger Kompensation der inländischen KFZ-Halter durch eine entsprechende Senkung der KFZ-Steuer erscheint im Grundsatz europarechtlich vertretbar.

 

Im August veröffentlichte der wissenschaftliche Dienst der Bundestages ein Gutachten, das in mehreren Punkten die Europarechtskonformität des Konzeptes in Frage stellt, weil dadurch mittelbar EU-Bürger diskriminiert werden würden. Das hat in der CSU, die mit dem Projekt in den Wahlkampf gezogen und nach wie vor die einzige Partei ist, die vorgibt, die PKW-Maut zu wollen, für solchen Missmut gesorgt, dass der Generalsekretär der Christsozialen, Andreas Scheuer, gefordert hat, den Gutachter nicht mehr weiter beim wissenschaftlichen Dienst des Bundestages zu beschäftigen.

 

 

Wie sicher ist es, dass die PKW-Maut so kommt, wie es in Dobrindts Konzept steht?

Wie bei jedem Gesetzesvorhaben wird auch hier zunächst ein Vorschlag gemacht und dann diskutiert. Im Regelfall entspricht das Gesetz, das am Ende dieses Prozesses steht nicht mehr eins zu eins dem ersten Konzept. Wie immer gilt auch hier das Struck’sche Gesetz:

Kein Gesetz kommt aus dem Parlament so heraus, wie es eingebracht worden ist

 

Für das Gesetz zur PKW-Maut hat das Bundesverkehrsministerium verschiedene Stellungnahmen der beteiligten Ministerien eingesammelt und berät sich parallel mit der EU-Kommission.

Neben der Europarechtskonformität spielt auch noch ein weiterer Punkt eine Rolle:

Dass die Nutzerabgabe auf allen Straßen gelten soll. Das kritisieren Politiker aller Parteien. Denn zum einen gehe das über den Koalitionsvertrag hinaus (dort heißt es: „Zur zusätzlichen Finanzierung des Erhalts und des Ausbaus unseres Autobahnnetzes werden wir einen angemessenen Beitrag…“). Zum anderen befürchten vor allem einige Bundesländer, dass die Regionen an den Grenzen wirtschaftliche Nachteile durch die Maut haben könnten, weil Kunden, die bislang kurz zum Einkaufen nach Deutschland fahren, das nicht mehr tun könnten, wenn sie dafür zahlen sollen.

Die Kritik kommt mitunter aus der Union selbst. So hat vor kurzem die gesamte NRW-Landesgruppe der CDU im Bundestag beschlossen, dass sie Dobrindts Konzept so nicht akzeptieren wollen.

Trotz aller Kritik: Von Seiten der Koalition wird immer wieder betont, der Vertrag werden eingehalten, die PKW-Maut komme. Bundeskanzlerin Angela Merkel betont immer wieder, dass die PKW-Maut kommen werde. Das ob ist also sicher, nur das wie, das ist offenbar auch aus Sicht von Angela Merkel noch nicht geklärt. Exakt ein Jahr, nachdem sie im TV-Duell mit dem damaligen SPD-Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück noch betont hatte, dass es mit ihr keine Maut geben werde, klingt sie nun völlig anders:

 

Wie ist der Zeitplan für die PKW-Maut?

Im Moment wird im Verkehrsministerium noch an einem Gesetzentwurf gearbeitet. Offiziell gibt es noch keinen Termin dafür, wann der fertig sein soll. Anfang September sagte Dobrindt jedoch bei einer Veranstaltung der Zeitung „Die Welt“ ganz nebenbei, ab Oktober hätte er wieder Zeit für andere Dinge:

 

 

Wenn der Gesetzentwurf da ist, muss er noch durch die sogenannte Ressortabstimmung. Das heißt, die einzelnen Ministerien können nochmal ihre Kritik loswerden. Wenn dann alle zufrieden sind, verabschiedet das Kabinett den Entwurf. Danach geht er in den Bundestag und seine Ausschüsse. Danach muss das Plenum abstimmen. Es kann sein, das der Gesetzentwurf auch noch in den Bundestag. Laut Koalitionsvertrag soll aber „ein entsprechendes Gesetz (…) im Verlauf des Jahres 2014 verabschiedet werden“.

 

Ab dem 01. Januar 2016 soll die PKW-Maut dann, wenn es nach Alexander Dobrindt geht, auf allen Straßen gelten.

 

Weiterführende Links:

Hier geht es zum Infopapier des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur für eine Infrastrukturabgabe.