Berlin, Brüssel
Wahlplakat der radikalen Linken "Syriza" zur Europawahl 2014 © European Union, 2014
Im Moment liegt die radikale Linke "Syriza" von Alexis Tsipras in den Umfragen vorn - Wahlplakat zur Europawahl 2014 © European Union, 2014
26.01.2015

Berliner Vorsicht und Brüsseler Entgegenkommen

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Tag eins nach der Parlamentswahl in Griechenland. Eine neue, radikale Partei ist an der Regierung. Alexis Tsipras‘ Syriza-Bündnis hat nicht nur die Wahlen gewonnen, sondern auch nach weniger als 24 Stunden bereits eine Koalition mit den rechtspopulistischen „Unabhängigen Griechen“ geschlossen. Die Reaktionen darauf in Berlin und Brüssel sind geteilt, von euphorischem Jubel bis hin zu oberlehrerhaftem Mahnen. In einem sind sich aber alle einig: Erstmal abwarten und gucken, was Tsipras eigentlich will.

 

Berlin: Es lebe die Vorsicht!

 

Wer nach harten Positionen und Kontroversen in der deutschen Politik nach dem Wahlsieg von Syriza sucht, der tut sich schwer. Es sind eher vorsichtige Worte, die aus dem politische Berlin kommen – zumindest von den Koalitionsparteien. Man will sich offenbar die Grundlage für zukünftige Gespräche nicht schon von vornherein kaputt machen, gleichzeitig die eigene Position aber schon so anzudeuten, dass sie nicht missverstanden werden kann. CDU Generalsekretär Peter Tauber nannte die Links-Rechts-Koalition in Athen originell. Es soll sich dabei um das Zitat eines nicht genannten Kollegen aus dem CDU-Präsidium halten. Tauber fand es passend.

„Wir gehen davon aus, dass Griechenland seine internationalen Verpflichtungen einhält (…). wir werden uns nicht an Spekulationen beteiligen warum oder ob sich das ändern sollte.“ (Peter Tauber)

 

 

Gar nicht so sehr anders als die CDU klingt die SPD. Genau wie beim christdemokratischen Koalitionspartner, war die Wahl in Griechenland heute Thema der Präsidiumssitzung. Und auch bei den Sozialdemokraten durfte die Generalsekretärin vortragen.

 

„Insofern befindet sich Griechenland nach wie vor in Verpflichtungen von denen wir ausgehen, dass Griechenland sie auch weiter ernsthaft verfolgen und auch bestätigen wird.“ (Yasmin Fahimi)

 

Etwas deutlicher formuliert – keine Überraschung – die CSU. „Hilfe gegen Reformen“ – so formulierte CSU-Parteichef Horst Seehofer seine Botschaft an die neue Regierung in Griechenland.

 

 

Von Seiten der Bundesregierung, heißt es, es sei üblich, die Wahlentscheidungen souveräner Bürger anderer Staaten nicht zu kommentieren. Man wolle nun zunächst die ersten Stellungnahmen der griechischen Regierung abwarten, sagte der Regierungssprecher Steffen Seibert heute in Berlin. Die Bundesregierung werde auch der zukünftigen Regierung die Zusammenarbeit anbieten. Aber es wird durchaus klar, was die Voraussetzungen dafür sind: Verpflichtungen einhalten und an Reformerfolge anknüpfen.

 

 

Als erstes Mitglied der Bundesregierung äußerte sich Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) zum Wahlergebnis in Griechenland. Alexis Tsipra obliege nun eine doppelte Verantwortung. Zum einen, schnell zu einer Regierungsbildung beizutragen und gleichzeitig die drängenden Aufgaben schnellstmöglich anzugehen. Ähnlich klingen auch die Reaktionen anderer Regierungsmitglieder. Vize-Kanzler und Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) sagte der Bild-Zeitung: Die Anstrengungen in Griechenland, die Schulden zu reduzieren und das Land aufzubauen, müssten weitergehen. Und dann gingen auch die europäischen und deutschen Hilfen weiter. Die Grünen äußern sich vorsichtig, sagen, man müsse nun die Möglichkeiten für Griechenland ausloten. Der Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag, Anton Hofreiter sagte der rheinischen Post, die Grünen würden sich für einen konditionierten Schuldenschnitt im Gegenzug für soziale und wirtschaftliche Reformen in Griechenland einsetzen. Etwas, das Union und SPD ablehnen. Einzig die Linke jubelt. Bundesweit gab es sogar Wahlpartys der Partei. Die unterstützen einen Politikwechsel und lehnen den Sparkurs, den die Bundesregierung für den richtigen Weg hält, ab. Nur bei der Koalition ist sogar die Linke etwas skeptisch.

 

„Offenbar ist die Einschätzung in Athen so, dass es zumindest so viele Gemeinsamkeiten gibt, dass es zum Regieren reicht. Soweit ich weiß, lehnen die ‚Unabhängigen Griechen‘, wie sie sich nennen, auf jeden Fall diese Kürzungsdiktate ab. Sie sind auch der Meinung, dass man die Korruption bekämpfen und dass man die Oberschicht zur Kasse bitten muss. Also da sind Gemeinsamkeiten da. Es wird sicherlich keine leichte Regierungspolitik werden in diesem Bündnis.“ (Sahra Wagenknecht, stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Linken bei n-tv)

 

Brüssel: Warnende Stimmen und Entgegenkommen

 

Die EU-Kommission hielt sich heute noch bedeckt mit einer Reaktion auf den Wahlausgang in Griechenland. Man wolle Athen weiter unterstützen und mit der neuen Regierung Gespräche aufnehmen, hieß es vom Sprecher der Kommission.

EU-Digitalkommissar Günther Oettinger wurde da konkreter. Er betonte im Interview mit dem Deutschlandfunk, dass niemand einen Euro-Ausstieg Griechenlands wolle. Das wäre der schlechtere Weg für alle, so Oettinger. Jetzt vom eingeschlagenen Kurs abzuweichen und Griechenland einen Schuldenschnitt zu gewähren, würde die Märkte verunsichern. Das wäre aus Oettingers Sicht ein Zeichen, dass Europa Schulden generell infrage stellt. Und das wäre das falsche Signal in Richtung Spanien, Portugal, Irland und Zypern. Die EU und die Troika würden ihre Politik deshalb nicht verändern.

„Ich glaube, dass [Tsipras] in den nächsten Tagen sehen muss, dass sein Land diese Finanzierung braucht, dass Griechenland Europa braucht, und umgekehrt wir nicht wegen einer Wahl unsere Position verändern können.“ (Günther Oettinger)

Auch Manfred Weber (CSU), Fraktionschef der konservativen EVP-Fraktion im Europaparlament, stimmt dem zu. Die letzte Tranche des zweiten Rettungspaketes für Griechenland soll im Februar ausgezahlt werden – eigentlich war das Ende des zweiten Paketes für Dezember 2014 geplant. Um diese Tranche zu erhalten, müsse Griechenland seine Hausaufgaben machen und das müsse Tsipras lernen, so Weber.

Mit Blick auf das Wahlprogramm von Syriza merkte der österreichische Finanzminister Hans-Jörg Schelling (ÖVP) an, dass Griechenland dafür gar kein Geld habe. In der Diskussion um die Fortsetzung der Sparpolitik in Europa machte Schelling klar, für ihn bringe der Syriza-Sieg keineswegs das Ende der Austerität.

Dem widerspricht EU-Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD):

„Wir sind ja schon seit der Europawahl dabei, in vorsichtigen Schritten die Marschrichtung zu korrigieren. Denn die These, man müsse nur Haushalte kürzen und schon käme das Wachstum zurück, die hat sich ja nicht nur in Griechenland, sondern auch in den Nachbarländern als nicht richtig erwiesen.“ (Martin Schulz)

 

 

Tsipras müsse aber Kompromisse eingehen, ein Schuldenschnitt sei nicht denkbar. Deshalb fordert Schulz, auch auf der Einnahmeseite mehr zu tun und beispielsweise stärker gegen Steuerflucht vorzugehen. Genau das hatte Tsipras in seinem Wahlprogramm angekündigt. Es brauche außerdem mehr Investitionen, so Schulz. Das Investitionspaket von Kommissionspräsident Juncker könne dazu beitragen.

„Muss der Haushaltsüberschuss zum Beispiel sofort in den Schuldenabbau fließen, oder kann er genutzt werden, um im Land zu investieren, um die schlimmsten Auswirkungen im Sozialbereich einzudämmen? Das sind Dinge, über die wir mit [Tsipras] diskutieren müssen und sicher auch diskutieren werden. Dort müssen die Kompromisse gesucht werden.“ (Martin Schulz)

 

Auch die Grünen-Vorsitzende im Europaparlament, Rebecca Harms, hofft auf eine konstruktive Zusammenarbeit mit der neuen griechischen Regierung. Die bisherige Regierung und die Mehrheit im europäischen Rat habe einseitig auf Kürzungen gesetzt und dies als Reformen verkauft. Nun sei es Zeit für einen Neunanfang:

 „Zu einem Neuanfang gehören auch die dringend notwendigen Initiativen gegen Steuerdumping in der gesamten Europäischen Union. Ein Austritt Griechenlands aus der Eurozone ist keine Option.“ (Rebecca Harms)

Die Linken von GUE/NGL im Europaparlament begrüßten – wie zu erwarten – den Sieg ihrer Mitgliedspartei. Die Griechen hätten sich für einen Neustart entschieden, hieß es in ihrer Pressemitteilung.

„Alexis Tsipras will Griechenland im Euro halten und fordert darum eine Abkehr vom unsozialen Kürzungswahn. Angesichts der EU-weiten wirtschaftlichen Lage die einzig vernünftige Forderung, um nachhaltiges Wachstum anzustoßen. Die Wirtschaft wird nicht wachsen, solange die enorme Schuldenlast den Staat erdrückt.“ (Pressemitteilung GUE/NGL)

Ähnlich, wie auf Bundesebene, fällt es den EU-Linken schwer, sich zur Links-Rechts-Koalition in Athen zu äußern. Bisher gibt es dazu noch kein Statement. Mit Blick auf die in den Umfragen in Spanien führende Podemus-Partei hieß es in der Pressemitteilung dafür kämpferisch: „Spanien könnte noch in diesem Jahr folgen.“

Ein Schuldenschnitt für Griechenland hat politisch weiterhin keinen Rückhalt in Europa – eine spätere Rückzahlung der Schulden findet aber Zustimmung. So betonte der finnische Premier Alexander Stubb, sein Land wäre bereit, über eine längere Laufzeit für die Kredite zu diskutieren. Die Bedingung: Die neue Regierung bekennt sich zu den geschlossenen Verträgen und verspricht strukturelle Reformen. Ähnlich die Reaktion des Eurogruppenchefs Jeroen Dijsselbloem: Eine spätere Rückzahlung stehe ganz oben auf der Tagesordnung in der Diskussion mit der neuen griechischen Regierung. Das müsse Athen zunächst aber formell beantragen.