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Handelskommissarin Cecilia Malmström im Handelsausschuss des EU-Parlaments © European Union 2015 - EP
Handelskommissarin Cecilia Malmström im Handelsausschuss des EU-Parlaments © European Union 2015 - EP
27.03.2015

ISDS-Schiedsverfahren: Malmströms Reformideen überzeugen nicht

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Mit der Debatte um das Freihandelsabkommen TTIP sind auch sie in die Kritik geraten: außergerichtliche Schiedsverfahren zwischen Unternehmen und Staaten. Einer der Hauptkritikpunkte ist die fehlende Transparenz dieser sogenannten ISDS. Deutschland hat nun eine UN-Konvention unterzeichnet, in der weitgehende Transparenzregeln für bestehende ISDS festgehalten werden. Ein Kompetenzstreit in der EU verhindert aber, dass die neuen Regeln für ein bestehendes, EU-weites Abkommen gelten. Gleichzeitig kündigte auch EU-Handelskommissarin Malmström ein reformiertes ISDS an. Dass diese Schiedsverfahren auch in TTIP transparenter werden, heißt das aber nicht automatisch.

Investitionsschutzabkommen sollen dafür sorgen, dass Unternehmen ungefährdet in anderen Ländern investieren können. Damit soll ihnen die Sicherheit gegeben werden, dass sich ihre Investitionen amortisieren können, dass sie beispielsweise keine Angst vor Enteignungen haben müssen oder vor Benachteiligung gegenüber anderen Investoren. Damit verbunden ist die Hoffnung, so mehr Investitionen anlocken zu können.

Sollte sich ein Unternehmen doch benachteiligt fühlen, kann es in einem Investor-Staat-Schiedsverfahren gegen einen Staat klagen. Diese sogenannten ISDS gibt es schon lange. Deutschland hat mit 129 Staaten Investitionsschutzabkommen abgeschlossen, 86 davon umfassen auch ISDS. Mit den Verhandlungen um das EU-US-Freihandelsabkommen TTIP ist die Kritik an diesen privaten, außergerichtlichen Schiedsverfahren laut geworden. Auch hier soll ein ISDS verabredet werden. Die Verfahren seien intransparent, undemokratisch und könnten genauso vor ordentlichen Gerichten verhandelt werden, so die Meinung der Kritiker.

UNCITRAL schafft mehr Transparenz

Mehr Transparenz in Schiedsverfahren ist das Ziel der Kommission der Vereinten Nationen für internationales Handelsrecht (UNCITRAL). Vor zwei Jahren veröffentlichte die UN-Organisation deshalb neue Vorschriften für ISDS. Damit verpflichten sich Staaten zu folgenden Regeln:

– Der gesamte Schiedsspruch und die Dokumente des Verfahrens müssen veröffentlicht werden. Dies geschieht auf einer eigens dafür eingerichteten Webseite.

– Das Gericht bekommt die Möglichkeit eingeräumt, auch andere, indirekt betroffene Interessenvertreter (wie die Zivilgesellschaft) zu Wort kommen zu lassen.

– Mündliche Verhandlungen sind grundsätzlich öffentlich zu führen.

– Die Transparenz kann eingeschränkt werden, wenn Geschäftsgeheimnisse oder die Sicherheitsinteressen eines Staates bedroht sind.

– Die Integrität des Verfahrens darf durch die Transparenz nicht beeinträchtigt werden.

Diese Regeln sind allerdings nicht bindend. Damit sie gelten, muss in Investitionsschutzabkommen festgehalten sein, dass sich alle beteiligten Parteien auf die UNCITRAL-Regeln und damit auf die Transparenzvorschriften einigen.

Mauritius-Konvention

Um die Anwendung der UNCITRAL-Regeln zur Transparenz in möglichst vielen Fällen sicherzustellen, verabschiedete die UN-Vollversammlung Ende vergangenen Jahres die Mauritius-Konvention. Damit sollen nun auch die Schiedsverfahren bereits bestehender Abkommen transparenter werden. Seit dem 17. März haben nun alle Staaten – aber auch Organisationen wie die EU – die Möglichkeit, dem Abkommen beizutreten. Die neuen Transparenzregeln gelten dann für alle Investitionschutzabkommen mit ISDS, die vor dem 01. April 2014 abgeschlossen wurde. Allerdings gibt es ein Schlupfloch: Staaten, die der Konvention beigetreten sind, können einzelne Investitionsabkommen von den Transparenzregeln ausnehmen.

Kommission unterschreibt nicht

Am 17. März wurde die Konvention nun von den ersten Staaten unterschrieben. Vertreter von Deutschland, Kanada, Finnland, Frankreich, Mauritius, Schweden, dem Vereinigten Königreich und der USA unterzeichneten das Abkommen in Port Louis. Damit gilt Mauritius für die ersten der weltweit insgesamt 3.000 bilateralen und multilateralen ISDS-Abkommen. Fast die Hälfte dieser Verträge haben EU-Länder mit Drittstaaten geschlossen.

Auch die EU-Kommission war bei der Zeremonie in Mauritius vor Ort. In den vergangenen drei Jahren habe die Behörde maßgeblich an den Transparenzregeln mitgearbeitet, heißt es in einer Stellungnahme der Kommission:

„Transparency is the cornerstone of a legitimate and accountable ISDS system. Over the last three years the EU has been instrumental in the UN in pushing the UNCITRAL Transparency Rules and negotiating the Mauritius Convention.“

Das Problem: So sehr die Kommission die Mauritius-Konvention auch unterstützt hat – selbst unterschrieb ihr Vertreter Aldo Dell’Ariccia das Papier nicht. Damit gilt die Konvention auch nicht für das – nach Kommissionsangaben – einzige Abkommen auf EU-Ebene mit anderen Staaten, das ISDS enthält: Dem Vertrag über die Energiecharta (ECT). Dieser Vertrag aus dem Jahr 1994 zwischen den Staaten Westeuropas und den Ländern des ehemaligen Ostblocks enthält unter anderem Klauseln zum Schutz von Auslandsinvestitionen im Energiebereich und zum Verbot der Diskriminierung beim Handel mit Energieprodukten und benötigter Ausrüstung. Die EU ist dem Vertrag 1998 beigetreten.

Offizielle Begründung, warum die Kommission die Mauritius-Konvention nicht unterzeichnet hat:

„Once the EU has cleared a number of internal procedures it will be in the position to sign the Convention.“

Laut dem Fachmagazin EU Trade Insights geht es dabei um einen Kompetenzstreit zwischen Kommission und Rat. Einige EU-Staaten seien der Meinung, dass der Rat zustimmen müsse, wenn die Kommission für die EU der Mauritius-Konvention beitreten will. Die Kommission entgegnet dem auf Anfrage:

„It is the Commission’s view that the Mauritius Convention is an international agreement in the field of foreign investment which falls within the ambit of the European Union’s exclusive competence. In accordance with Article 2(1) of the Treaty on the Functioning of the European Union, Member States may adopt legally binding acts within this area only if empowered to do so by the Union.“

Die Kommission dreht den Spieß also herum: Mitgliedsstaaten dürften also der Mauritius-Konvention nur dann beitreten, wenn auch die EU dem zustimmt. Die Kommission habe dazu zwei Papiere vorgelegt, die den Staaten – wenn der Rat diese verabschiedet – diese Zustimmung erteilt, so die Kommission weiter.

Dieses Kompetenzgerangel führt zu der aberwitzigen Situation, dass die EU, obwohl ihre Vertreter der Kommission am Papier mitgearbeitet haben, die Konvention selbst vorerst nicht unterzeichnen kann. Sollte der Streit geklärt werden, kann die EU aber immer noch das Papier im UN-Hauptsitz in New York unterzeichnen.

Transparenz auch bei neuen Abkommen

Nicht nur in bestehenden, sondern auch in zukünftigen Handelsabkommen mit ISDS will die Kommission mehr Transparenz verankern. In allen laufenden Verhandlungen habe die Kommission vorgeschlagen, die UNCITRAL-Regeln aufzunehmen. Bisherige ISDS-Verfahren seien im Sinne der Investoren gestaltet worden und nicht im Sinne des Rechts der Staaten zu regulieren.

 

 

Vor dem Handelsausschuss stellte Kommissarin Malmström deshalb ihre Ideen für ein neues ISDS in TTIP vor:

– Investitionsschutz soll keine Garantie sein, dass sich die den Investor betreffende Gesetzgebung nicht ändern könnte. Damit soll verhindert werden, dass Unternehmen nur aufgrund von Gesetzesänderungen Verfahren anstoßen.

– Um Interessenkonflikten vorzubeugen, sollen potentielle Schiedsrichter nur aus einer aufzustellenden Liste gewählt werden können. Die Regierungen können die Richter auf dieser Liste – insofern diese qualifiziert sind – selbst bestimmen.

– Es soll einen Berufungs-Mechanismus geben, mithilfe dessen unterlegene Parteien ein Verfahren noch einmal neu aufrollen lassen können. Das Gremium dafür soll mit permanenten Mitgliedern besetzt sein.

– Das Verhältnis von nationalem Recht zu ISDS-Verfahren soll geklärt werden. Dafür gibt es zwei Ansätze: Entweder sollen sich Unternehmen von vorn herein für ein Verfahren vor einem nationalen Gericht oder einem ISDS-Schiedsgericht entscheiden müssen, oder sie müssen jegliche nationale Verfahren aufgeben, wenn sie ein ISDS-Verfahren starten.

 

Bernd Lange und Handelskommissarin Cecilia Malmström (v.l.) im Handelsausschuss des Europaparlaments © European Union 2015 - EP

Bernd Lange und Handelskommissarin Cecilia Malmström im Handelsausschuss des Europaparlaments © European Union 2015 – EP

Offen bleibt die Frage, inwiefern Malmströms neue Vorschläge auch Teil des ausverhandelten, aber noch nicht in Kraft gesetzten Abkommens CETA mit Kanada werden könnten. Malmström hatte angedeutet, diesbezüglich mit der kanadischen Seite zu sprechen. Die UNCITRAL-Transparenzregeln wurden hier bereits aufgenommen.

Kritikern reicht das nicht

In wieweit die Transparenzregeln auch für das Freihandelsabkommen TTIP gelten werden, dazu konnten bisher weder das Bundeswirtschaftsministerium, noch die EU-Kommission eine Aussage machen. Da aber die USA auf der einen und Deutschland, Frankreich und das Vereinigte Königreich auf der anderen Seite des Atlantiks auch die Mauritius-Konvention unterzeichnet haben, spricht doch viel dafür, dass die Transparenzregeln auch in TTIP verankert werden. Die Kommission bestätigte auf Anfrage, dass sie das zum Ziel habe.

 

Ska Keller (Grüne) im Europaparlament © European Union 2015 EP

Ska Keller (Grüne) im Europaparlament © European Union 2015 EP

Und Malmströms weitere Vorschläge zu einem moderneren ISDS? Im Handelsausschuss des Europaparlaments wurden diese sehr positiv aufgenommen. Viele alte, intransparente Investitionsabkommen könnten mit TTIP ersetzt werden und damit auch ein moderneres Streitschlichtungsverfahren Anwendung finden, so die Befürworter.

Die ISDS-Kritiker im Parlament bei Sozialdemokraten, Grünen und Linken haben sich von Malmströms Transparenz-Vorschlägen aber nicht überzeugen lassen. Handelsausschuss-Vorsitzender Bernd Lange (SPD) betonte noch einmal, dass es aus seiner Sicht kein ISDS mit den USA brauche. Die Grüne Ska Keller kritisierte, dass das Europaparlament bisher nicht diskutiert habe, ob man ein TTIP-Abkommen überhaupt mit ISDS haben wolle. Bisher sei die Debatte nur um das „Wie“ gegangen. Der Alternative, einem Internationalen Schiedsgerichtshof, erteilte Malmström aber vorerst eine Absage. Sie stehe der Idee zwar nicht abgeneigt gegenüber, es sei aber unwahrscheinlich, solch eine Institution bereits in TTIP zu verankern. Man solle aber darauf hinarbeiten, einen Gerichtshof zu schaffen, so die Kommissarin:

„A multilateral court would be a more efficient use of resources and have more legitimacy. That makes it a medium-term objective to be achieved in parallel to our negotiations with the United States.“

Unter anderem die ehemalige Justizkommissarin und jetzige EU-Abgeordnete Viviane Reding und Bundeswirtschaftsminister Gabriel unterstützen die Idee eines solchen Gerichtshofes.

Letztendlich sind das aber alles nur Willensbekundungen. Entscheidend wird sein, ob sich auch die US-Seite auf ein reformiertes ISDS einlassen wird.


Mehr Informationen zum Thema ISDS-Streitschlichtung

“ISDS-Schiedsgerichte: Ablehnung vs. konstruktive Kritik
(Berlin:Brüssel-Blog, 13.01.2015)

Freihandelsabkommen CETA und TTIP – Streit um Investorenschutz
(Berlin:Brüssel-Blog, 25.09.2014)

Ein internationaler Schiedsgerichtshof für alle Abkommen
(Interview bei Deutschlandradio Kultur, 25.03.2015)