Berlin, Brüssel
Syrien-Flüchtlinge im jordanischen Aufflanglager Zaatari © European Union 2013 - EP
Syrien-Flüchtlinge im jordanischen Aufflanglager Zaatari © European Union 2013 - EP
23.04.2015

Wer Waffen exportiert, muss Flüchtlingen helfen

Von

Die bisherige Verteilung von Flüchtlingen auf die EU-Staaten wird oft als ungerecht kritisiert. Demnach trügen Länder wie Italien, Schweden oder Deutschland die Hauptlast, andere könnten viel mehr Asylbewerber aufnehmen – aber wollten nicht. Was, wenn Flüchtlinge nach einem Schlüssel auf die EU-Länder verteilt würden, der sich nach dem Umfang der jeweiligen Waffenexporte richtet? Wer sich jetzt schon ins Fäustchen lacht, dass dann vor allem Deutschland mehr tun müsste, der irrt. Es sind ganz andere Länder, die sich dann mehr engagieren müssten.

Zugegeben, der Zusammenhang ist statistisch nicht eindeutig belegt. Und die Art der Betrachtung vereinfacht und lässt zahlreiche wichtige Einflussfaktoren außen vor. Trotzdem gibt es eine einfache Rechnung, die man nur schwer leugnen kann: Umso mehr Waffen exportiert werden, umso mehr Menschen werden durch Waffen bedroht (Auch wenn laut Außenwirtschaftsgesetz deutsche Waffen nicht exportiert werden dürfen, wenn eine Störung des friedlichen Zusammenlebens der Völker zu befürchten ist, tauchen deutsche Waffen immer wieder in Krisengebieten auf). Und auch ohne das Schicksal jedes einzelnen Flüchtlings zu kennen kann man sagen: Ein Großteil der Menschen, die in Europa Asyl suchen (Syrien, Afghanistan, Mali), flieht vor Krieg und Gewalt – durch Waffen. Wenn Waffen also zur Vertreibung von Menschen führen und EU-Länder vom Export von Waffen profitieren: Warum dann nicht die Verantwortung für die Flüchtlinge, die nach Europa kommen, nach dem Umfang der Waffenexporte verteilen?

Deutschland ist Waffenexport-Europameister

Das Stockholmer Friedensforschungsinstitut SIPRI erstellt umfangreiche Statistiken zum Export von Waffen. Um eine Vergleichbarkeit zwischen Ländern, Waffensystem und Zeiträumen herzustellen, hat SIPRI die Einheit TIV (trend-indicator value) geschaffen. Auf Basis dieser Werte ergibt sich für die Summe der Waffenexporte der EU-Länder folgendes Bild:

 

 

Deutschland führt die Rangliste an, gefolgt von Frankreich und Großbritannien. Abgeschlagen sind Estland, Griechenland, Kroatien, Lettland, Litauen, Luxemburg, Slowenien und Zypern, die in den vergangenen zehn Jahren keine nennenswerten Waffenexporte verzeichnen konnten.

Deutschland ist Asylantrags-Europameister

Ist also vor allem Deutschland mehr gefragt bei der Aufnahme von Flüchtlingen? Schauen wir uns an, wie viele Menschen im vergangenen Jahr in den einzelnen Mitgliedsstaaten um Asyl ersucht haben (Zahlen von Eurostat):

 

 

Auch in dieser Statistik liegt Deutschland vorn: Im vergangenen Jahren haben hier über 200.000 Menschen einen Asylantrag gestellt – gefolgt von Schweden (81.330 Menschen) und Italien (64.635 Menschen). Die baltischen Staaten, Slowenien, die Slowakei, Portugal und Kroatien hingegen hatten kaum Asylanträge zu bearbeiten.

Frankreich, UK, Spanien und die Verantwortung

Fassen wir nun also diese beiden Statistiken zusammen und stellen die Frage: Würden die Asylbewerber in der EU nach dem Umfang der Waffenexporte verteilt – Wie viele Asylbewerber müsste welches Land mehr bzw. weniger aufnehmen? Das Ergebnis ist durchaus überraschend:

 

 

Obwohl Deutschland Waffenexportwelteuropameister ist, „gleicht“ die Bundesrepublik das durch die hohe Zahl an Asylbewerbern sogar so weit aus, dass im vergangenen Jahr ein Viertel mehr Flüchtlinge aufgenommen wurden, als nach dem Anteil der EU-weit exportierten Waffen notwendig. Ähnliches gilt für Schweden und Italien.

Viel zu wenig haben bisher Frankreich, das Vereinigte Königreich, Spanien und die Niederlande getan. Nach dem Waffenexport-Schlüssel müssten sie jeweils zwischen 25.000 und über 80.000 Asylbewerber mehr aufnehmen. Oder weniger Waffen exportieren. Oder am besten beides.

Hier noch einmal die Zahlen zusammengefasst:

 

Land Waffenexporte ’04-’14 Zahl Asylbewerber ’14 Saldo Asylbewerber
Frankreich 19.603 64.310 81.052
UK 12.507 31.945 60.798
Spanien 7.265 5.610 48.262
Niederlande 6.673 24.530 24.952
Finnland 797 3.630 2.280
Tschechien 279 1.150 919
Portugal 163 440 769
Rumänien 264 1.545 413
Slowakei 87 325 320
Irland 217 1.450 159
Estland 0 155 -155
Lettland 0 370 -370
Slowenien 0 390 -390
Litauen 0 430 -430
Kroatien 0 460 -460
Luxemburg 0 1.145 -1.145
Malta 10 1.350 -1.276
Polen 877 8.025 -1.522
Zypern 0 1.745 -1.745
Griechenland 0 9.440 -9.440
Bulgarien 175 11.085 -9.787
Italien 7.232 64.635 -11.007
Dänemark 291 14.710 -12.552
Belgien 938 22.855 -15.899
Österreich 385 28.065 -25.210
Ungarn 132 42.780 -41.801
Deutschland 21.509 202.815 -43.319
Schweden 5.113 81.330 -43.416

 

Was sagt uns diese (Milchmädchen-)Rechnung also? (Abgesehen von den vielen methodischen Kritikpunkten, die sicherlich angebracht werden könnten)

1. Natürlich, eine Verteilung von Flüchtlingen auf die EU-Länder nach dem Umfang der exportierten Waffen wird es nicht geben. Schon allein weil Waffenexporte als etwas Positives angesehen werden – Arbeitsplätze und Steuereinnahmen hier sind der Politik mehr wert, als Tote anderswo.

2. Deutschland, Schweden und Italien nehmen (im Vergleich zum Rest der EU) viele Flüchtlinge auf.

3. Frankreich, das Vereinigte Königreich, Spanien und die Niederlande haben die moralische Verpflichtung, mehr Flüchtlinge aufzunehmen. Leider ist das keine Währung, in der auf politischer Ebene gehandelt wird.


Mehr Informationen zum Thema Waffenexporte und Flüchtlinge

Flüchtlingspolitik: Die unklare Haltung Polens
(deutschlandfunk.de, 23.04.2015)

Waffenlieferungen für Kurden
(Berlin:Brüssel-Blog, 01.09.2014)

Europa rüstet auf
(Berlin:Brüssel-Blog, 02.04.2015)

Kommentare zu diesem Beitrag (3)

  1. Dieter Radloff | 27. Juni 2015, 9:49 Uhr

    Waffen & Flüchtlinge

    Der Bund genehmigt Waffen in alle Welt
    um Flüchtlinge aus aller Welt kümmern sich soziale Einrichtungen in Kommunen.

    Auf einige wenige Flüchtlinge werden wir aufmerksam gemacht, wenn sie in Lampedusa – tot oder lebendig – aus dem Meer geborgen werden. Öffentlich kontrollierte Medien ver-sorgen uns dazu fast täglich mit ausgewogenen Halbwahrheiten und vermeiden jeden Hin-weis darauf, warum inzwischen 50 Millionen auf der Flucht sind. Die allermeisten von ihnen schaffen es nur bis in ihre Nachbarländer, wo sie seit Jahren in Auffanglagern auf die Rückkehr in ihre Heimat warten. Deutschland, wo ein ehemaliger Minister für Entwicklungshilfen jetzt beim Waffenexport behilflich ist, will nun mit unserem Innenminister Schlepperbanden die Geschäftsgrundlage entziehen mit Kriegsschiffen im Mittelmeer und mit Auffanglagern in Nordafrika. Schlepper verdienen etwas Kleingeld nur am Ende eines staatlich organisierten Teufelskreises. Großes Geld macht der Bund am Anfang zusammen mit der Rüstungsin-dustrie und Gleichgesinnten Ländern. Sogar die Schweiz und Israel mischen beim Waffen-export mit und ignorieren Rückwirkungen auf den sonstigen Au-ßenhandel, der auf Frieden und Freiheit überall angewiesen wäre. Und speziell Waffen made in Germany halten länger, als jede Regierung in Afrika und anderswo in der 3. Welt, die wir mit Waffenlieferungen verant-wortungslos destabilisieren, nur weil es ein gutes Geschäft ist.

    Flüchtlinge kommen meist aus sehr armen Ländern, die sehr reich sind an wertvollen Boden-schätzen. Für den IWF und für Horst Köhler sind das Länder von geostrategischem Interesse. Andere Länder sind auch interessant und so blickt die freie Welt 2015 noch immer ratlos auf Ägypten, wo demokratisch gewählte Amtsinhaber wieder nur Machthaber sind, die vom Militär getragen werden, von den USA finanziert oder wie im Falle Syrien von Russland und vom Iran mit Waffen beliefert werden. In Nordkorea, das von China gestützt wird, wäre es nicht anders, käme es dort zu freien Wahlen. Im Verteilungskampf um Weltvorräte für bald 8 Mil-liarden Menschen bedrohen Platzhirsche eine an sich friedliche Welt mit dem Finger am Absug von Massenvernichtungswaffen. Der ‚Rapcki-Plan‘ hätte nach Auflösung der UdSSR noch immer umgesetzt werden können. Aber die Politik hatte sich schon vor Jahrzehnten auf das Nato-Bündnis eingelassen mit Atombunkern und Verhaltensregeln im Falle eines Erst- oder Zweischlages. Aber auch die Nato-Osterweiterung war politisch verantwortungslos. Politische Verantwortung ist ein sehr vornehmer Ausdruck für überhaupt keine Verantwortung. Das Argument für Waffenexporte ist zynisch : Jede Waffe, die wir nicht liefern, liefern andere und auch für Kernkrafwerke hätte dieses Argument wohl gelten können. Aber für Waffen fehlt dazu noch der Super-GAU. Seehofer betrachtet das Waffengeschäft jedenfalls als eine Notwendig-keit bayerischer Realpolitik.

    Man muß kein Militärexperte sein, um zu verstehen, warum Russland Syrien unterstützt, ein Gebiet, das im Norden an die Nato-Türkei und im Süden an Israel grenzt. Daß Frau Merkel wegen der Ukraine-Krise zu Obama reist, ist deutscher Innenpolitik geschuldet und dem Nato-bündnis. So kann man Stärke demonstrieren und sich sicher fühlen an der Seite einer mili-tärischen Supermacht, deren politischer Finanz- & Sicherheitskomplex ohne Feindbild nicht auskommt. Die USA haben das Nazi-Regime nicht zuletzt auch im eigenen Interesse besiegen müssen, wie Russland, das nach großen Verlusten nebenbei unsere Befreiung mitbewirkte.

    Aber zwei Weltkriege wirken nach wie ‚ der Fluch einer bösen Tat‘, die immer nur Böses ge-bären kann‘. Die zur Überwindung des Naziregimes hochgefahrene Rüstung wurde nach 1945 nicht zurückgenommen, sondern umstrukturiert. Mit Nato und Atombunkern mündete der 2. Weltkrieg nahtlos in den Kalten Krieg und wirtschaftlich sehr rentabel in den 3. Weltkrieg, den wir zusammen mit gleichgesinnten Bündnispartnern in die 3. Welt verlagern.

    Die Fertigkeiten zur massenhaften Herstellung von Bomben und Granaten hat Deutschland im Krieg erworben und will auf diesen Vorteil nicht verzichten – schon wegen der Arbeitsplätze. Dazu treffen sich die heutigen movers & shakers in der Welt des Finanz- & Sicherheitskom-plexes jedes Jahr in Davos und wenig später zur Sicherheit in München, um dort mit den eigentlich Mächtigen hinter verschlossenen Türen zu beraten, wo in einer Welt voller Krisen das Gleichgewicht der Kräfte nachgebessert werden kann.

    Weil das profitable Geschäft mit Waffen für Deutschland weiter gehen muss, ist ein ehemaliger Bundesminister inzwischen im Waffenexport tätig und unser Innenminister will in Nordafrika Auffanglager errichten, um Flüchtlinge vor Schlepperbanden und vor dem Ertrinken im Mit-telmeer zu schützen. Damit die 3. Welt sich deutsche Waffen überhaupt leisten kann, leisten wir Entwicklungshilfen aus Steuergeldern, ohne die Mittelverwendung zu überprüfen. Wer in einer verunsicherten Welt mit unseren Waffen tötet oder wen – das interessiert uns nicht, weil wir uns in innere Angelegenheiten politisch nicht einmischen wollen.

    Ob im Heiligen Land oder in der Ostukraine – wo immer Regierungen, Bündnispartner, Aufständische, Separatisten oder neuerdings Andersgläubige einen Krieg vom Zaun bre-chen wollen, die Waffen sind immer schon da, denn die politisch gesteuerte Rüstungsindurstrie ist mit Freund und Feind gleichermaßen vernetzt und liefert ‚just in time‘ entweder geheim oder auf Umwegen Waffen für alle.

    Geschäfte, die mit Politik, Rüstung und Sicherheit zusammenhängen, sind meist sehr geheim. Jedenfalls glaubt unsere Regierung das. Denn das inzwischen befriedete Deutschland wäre derzeit wieder nur bedingt verteidigungsbereit, weil Waffenexporte Vorrang haben vor In-standhaltung eigener Waffen. Aber diesem und anderen staatlichen Geheimnissen kommt die informierte Gesellschaft immer öfter auf die Schliche, weil Wikileaks und Snowden ein wenig Aufklärung brachten und das ‚christliche‘ Abendland trotz deutschem Verfassungsschutz im Schlaf überrascht haben.

    Im frühen Europa war Karl der Große ein gottesfürchtiger Krieger und hatte ein großes Reich in Gottes Namen einem seiner zahlreichen Söhne vererbt, was 1000 Jahre Krieg nach sich zog mit blutigen Erbfolgekriegen, einen 100-jährigen und den 30-jährigen Krieg. Um einen derartigen, erblich bedingten Machtzerfall zu vermeiden, hatte der Klerus schon bald darauf die Ehelosigkeit verordnet.

    Während kinderreiche Dynastien bis 1918 die Welt unter sich aufteilten, sorgte Kinderreichtum beim Volk für Soldaten, mit denen Könige ‚von Gottes Gnaden‘ Kriege führen konnten, für die es in Rom im Erfolgsfalle die Kaiserkrone gab. Erst das zentralistisch geführte Frankreich bündelte ein wenig die deutsche Kleinstaaterei und erschuf strategische Königreiche von Napoleons Gnaden. Als nach ihm die in sich stimmigen Gedanken von Rousseau durch Marx & Engels gesellschaftliche Relevanz bekamen, wurden auch sie politisch missbraucht.
    Gott sei Dank glauben heute nur noch wenige Arbeiter und Bauern freiwillig an ein Paradies auf Erden. Nur die CDU7CSU weiß sehr genau, daß man mit Glauben Wahlen gewinnt.

    Die Römer kreuzigten den König der Juden wie einen politischen Schwerverbrecher und erhoben später den Glauben an ein ewiges Leben zur Staatsreligion, allerdings ohne die Botschaft der Bergpre-digt zu übernehmen. Auch der Islam verschmolz Religion mit Politik und ergänzte 5 Silas und 10 Gebote durch eine sittliche Kleiderordnung für Frauen und durch tägliche Gebete für Männer.

    Wegen der vielen Kriege in Europa ist Preussen von der Landkarte verschwunden, obwohl dort jeder nach seiner eigenen Fasson selig werden durfte, solange er sich nicht in die Politik ein-mischte. Als Kriege damals noch salonfähig waren hatte Immanuel Kant Zeitgenossen schon vor einem all zu langen Frieden gewarnt, weil der dem Sittenverfall Vorschub leiste. Heute ist es Sitte, mit vorgeschobenen Argumenten entlegene Gebiete als Truppenübungsplatz zu benutzen. Russland hatte in Afghanistan lange Zeit noch ganz allein geübt. Heute kämpfen dort Soldaten aus 48 Nationen für eine Demokratie, von der Paschtunen ihre eigene Vor-stellung haben. Jedenfalls gibt es dort viele wertvolle Bodenschätze für die ganze Welt.

    Seit er weiß, dass er sterben muss, kommt der Homo Sapiens ohne Glauben nicht zurecht. Schon die alten Ägypter haben sich Götter erschaffen, oder sich als solche inszeniert und Gräber gefüllt mit Gaben für ein Leben nach dem Tode. Konfuzius & Buddha rieten zum Erwerb von Verdiensten im Diesseits für einen besseren Rang im Leben nach der Wiederge-burt und die älteste Verhaltensregel des Menschen besagt : „Was Du nicht willst, das man Dir tu, das füge keinem anderen zu“. Aber der Mensch hat seine nachhaltigen Reflexe in der sehr langen Steinzeit entwickelt und schwingt daher noch immer die Keule gegen die eigene Art und neuerdings auch gegen Andersgläubige.

    Darwin soll beim frühen Tod seiner geliebten Tochter auf die Frage geantwortet haben, ob er die Welt für Gottes Schöpfung halte, geantwortet haben : „Nur ein Teufel kann sich so etwas ausdenken“.

    Auch Physiker suchen nach Antworten auf die Frage, woher wir kommen und wohin wir gehen. Sie wollen aber nicht zulassen, dass Wissenslücken mit Schöpfungsgeschichten gefüllt werden. Doch es sieht so aus, als ob wir immer mehr glauben dürfen, je tiefer die Wissen-schaft eindringt in dunkle Materie und dunkle Energie und dort vorerst nicht voran kommt – zum Ursprung von allem, jenseits von Gut und Böse.

    Einstein hat einmal gesagt : Man muss nicht verstehen, wie die Welt entstanden ist und wie sie funktioniert. Es genügt, sich darin zurecht zu finden. Der Urknall – wenn es ihn je gab – war nur deshalb ein absolutes Ereignis, weil es keinen Beobachter gab. Aber der Vorgang ist noch nicht abgeschlossen, ebenso wenig, wie die Vertreibung aus dem Paradies, die gerade erst begonnen hat.

    Atome, Protonen und Neutronen in uns bestimmen nicht nur unsere Identität, sondern schei-nen auch Einfluss zu haben auf unseren Charakter. Anders ist es nicht zu erklären, dass wir uns auch ohne Krieg auf einen ergebnisoffenen Wettlauf in den Abgrund eingelassen ha-ben. Billig geht die Welt zugrunde und mit Arbeit ist kein Geld mehr zu verdienen, weil selbst billige Arbeit nicht mehr bezahlbar ist. Verdienen ohne zu arbeiten ist daher zum Kult gewor-den, mit grenzenlosem Wachstum und stabilem Geld, das sich leistungslos und wenn es geht steuerfrei an der Börse vermehren soll. So profitiert auch der IS von einem gottlosen Infantilismus der westlichen Spaßgesellschaft.

    Aber der 3. Weltkrieg (in der 3. Welt) lässt sich nicht so einfach beenden, wie er begann. Es ist wie bei der Umweltverschmutzung oder beim Atomstrom : In den Wohlstandsgesellschaften sind zu viele mit Gefälligkeitspolitik verwöhnt worden. Einige Wenige verdienen sich dabei eine goldene Nase und sicherten sich dazu alle Rechte, ohne Pflichten zu übernehmen.

    Der blaue Planet ist ein winziger Punkt im Universum und scheint gewusst zu haben, dass wir kommen. Dass immer zur rechten Zeit und für uns auch immer in der richtigen Reihenfolge ausgerechnet all unsere spezifischen Vorfahren in der artenreichen Evolutionskette die vielen Ausrottungs-Katastrophen frustriert überlebten, das allein grenzt schon an ein sehr großes Wunder. Aber das eigentliche Wunder ist, dass es mit uns Menschen bewusstes Leben gibt in einem ursprünglich so lebensfeindlichen Universum.

    Wie lange noch, das hängt zunächst von uns persönlich ab und politisch davon, wie viele Men-schen wir noch aus ihrer Heimat vertreiben duch verantwortungsloses Handeln mit Autos, Waffen, Kernkraft und Chemie – alles made in Germnay ! Auch Kettensägen zur Ab-holzung im Amazonasgebiet gehören dazu. Aber auch zuhause wird der Hambacher Wald trotz Energiewende dem shareholder value geopfert. Menschen werden dazu aus ihren Häusern vertrieben, weil RWE das Recht dazu hat. Juristisch einwandfrei und das ist das Problem.

    Viele Flüchtlinge werden noch kommen.

  2. Gerhard Volk | 13. Juli 2015, 7:57 Uhr

    Nationalistische Milchmädchenrechnung

    Wahrscheinlich ist es ein Segen und ein Fluch zugleich, dass wir Österreicher die gleiche Sprache Sprechen, wie die Deutschen. Das gibt uns wahrscheinlich gegenüber Fremdsprachlern den Vorteil, dass wir die chauvinistischen Stereotypen in den deutschen Medien deutlich leichter enttarnen.
    Dieser Artikel macht einen einfach nur sprachlos! Mit perfiden sprachlichen Mitteln und argumentativen Winkelzügen versucht man sich reinzuwaschen. „Waffenexportweltmeister“ (obwohl eigentlich nur Europameister) ist ein unsäglicher Euphemismus für Europas größter Profieur von Leid und Krieg.
    Auch wenn man sich die Asylstatistik ein wenig genauer ansieht, wird klar, wie unhaltbar diese Rechnung ist. Über 50% der Asylanträge von Jänner bis Mai 2015 wurden von Bürgern der Balkanländer gestellt. Deutschland ist also nicht besonders solidarisch, sondern hat eine reparaturbedürftige Gesetzeslage. Rechnet man also die 100.000 Serben, Albaner, Mazedonier … heraus, müsste Deutschland noch gut und gerne 60.000 Asylwerber aufnehmen.
    Noch dazu ist die Rechnung unlogisch. Warum hätten Länder ohne Waffenexporte überhaupt die Verpflichtung zur Aufnahme von Asylwerbern?
    Selbst wenn man die Rechnung ernst nehmen würde, müsste man den Saldo auf die Anzahl der Asylanträge oder auf die Größe der Länder beziehen. In beiden Fällen sähe die Situation für Deutschland nicht mehr so rosig aus.
    Schließlich bleibt die Frage, welchen Sinn die Veröffentlichung einer offensichtlich komplett unbegründeten und falschen Rechnung, deren Schlussfolgerung Prügel für Frankreich, Großbritannien, Spanien und die Niederlande hat, haben soll.

    • Thomas Otto | 15. Juli 2015, 9:17 Uhr

      Sehr geehrter Herr Volk,

      vielen Dank für Ihren Hinweis auf das fälschliche „Weltmeister“. Richtigerweise muss es natürlich – so wie im Rest des Textes – „Europameister“ heißen.
      Wie eingangs im Text beschrieben, wurden für dieses Gedankenspiel die Zahlen aus dem Jahr 2014 verwendet.
      Wenn Sie den Text genau lesen, werden Sie feststellen, dass es darin keinesfalls darum geht, irgendeine Weste rein zu waschen. Vielmehr handelt es sich um ein Plädoyer dafür, bei der Diskussion um die Aufnahme von Flüchtlingen mit in Betracht zu ziehen, dass diese oft vor Krieg und Gewalt fliehen und Europa durch seine Waffenexporte ein Teil dieses Problems ist.